Hallo zusammen
Ich spiele jetzt seit einigen Jahren mit technikfreien Nanos rum. Als Experiment macht so ein Becken allemal Spaß! Hat so einen nostalgisch-archaischen Touch: nach alter Väter Sitte, der "See im Glase"... So hat die Aquaristik vor 150 Jahren mal angefangen. Ohne Strom. Und CO2, ohne Filter.
Hier kommen einige Tipps, wie man ein technikfreies Nano - sagen wir mal 10 Liter für Garnelen - startet. Ohne Gewähr, aber mit den Basics unten hat man zumindest die Chance, dass es funktionieren kann. Schade: Viele Tricks der „Alten“ sind einfach verloren gegangen im Zug der Technisierung… Und auf 100 Dummheiten, die ich so gemacht habe, will ich aus Schamhaftigkeit jetzt mal nicht näher eingehen.
1.) Das Wichtigste zu Beginn ist der Bodengrund! Der muss stimmen, sonst kann das Becken später kaum stabil laufen. Denn der Bodengrund übernimmt die Hauptarbeit des biologischen Filterns. Mein Tipp deshalb: Kies. Nicht zu fein, am Besten mit einer Körnung von um die 6 bis 7 mm. So geht es am Leichtesten.
Warum? Mulm! Denn der "häßliche Schmodder" stabilisiert die ganze Kiste. Darin leben die Nitrobakter und die Nitrosomonas, die später den Nitrifizierungsprozess verantworten. Garnelen haben die dumme Angewohnheit, Mulm einfach wegzufressen. Deshalb sollte der Kies grob genug sein, dass sich in seinen Zwischenräumen genügend Mulm ablagern kann, der dem gierigen Zugriff der Krabbler entzogen ist. Dieses Depot ist wirklich wichtig.
Aber man will ja auch darin noch Pflanzen verankern können, also rund 6 mm. Das scheint mir der beste Kompromiss zu sein.
2.) Bepflanzung. Die alte Bauernregel: "Viel Grün, wenig Vieh!" stimmt hier umso mehr.
3.) Problem Sauerstoffmangel. Kleine Becken haben bei höheren Temperaturen im Sommer manchmal ein Sauerstoffproblem. Umso mehr technikfreie Becken, bei denen ja keine Umwälzung und Oberflächenbewegung stattfindet. Deshalb unbedingt eine Cladophora-Algenkugel rein. (Wird als Moos-Kugel überall verkauft.) Diese Algenkugeln sind Gold wert. a) als Weidewiese für Garnelen, b.) sie haben eine enorme Kapazität, O2 zu produzieren. Die feuern schon bei recht wenig Licht Massen von O2 raus. (So manches Aquarium wurde nur von seinen Algen gerettet!)
4.) Beleuchtung und Standort. Ost- oder Westseite auf einem Fensterbrett. Südseite heizt - bei uns in der Wein-Pfalz – durch die Scheiben zu sehr auf, bei Nordlage fehlt in unseren Breiten einfach das Licht. Trotz Standort unter einem Oberlicht muss ich bei meinem Nordbecken im Winter mit künstlicher Beleuchtung nachhelfen.
5.) Die nervige Einlaufphase. Das Becken ist gebaut, eingerichtet, jetzt muss es einlaufen. Und diese Phase ist bei technikfreien Becken sehr lange! Deutlich länger als bei Technikbecken.
Das muss man akzeptieren. Deshalb ist so was nichts für Leute, die nur ein Aquarium haben. Das stellt die Geduld auf eine (zu) harte Probe. Nur Schopenhauersche Heilige schaffen es, ihr erstes Aquarium technikfrei zu starten. Alle anderen sollten zwei, drei andere Aquarien schon haben ...
Diese Phase kann sogar drei Monate dauern! Animpfen mit Mulm aus einem anderen Becken verkürzt die Wartezeit allerdings enorm. Trotzdem werden die Werte im Becken zu Beginn ziemlich „springen“.
In der Einlaufzeit braucht das Aquarium Pflege. Nicht nur ein paar Futterkrümel obenrein - die nitrifizierenden Bakterien wollen ja was fressen - sondern sie brauchen auch Sauerstoff. Also: mindestens ein Wasserwechsel pro Woche von, sagen wir mal, 50 Prozent. (Aber nur das Wasser wechseln! Der Bogengrund darf nicht mit einer Mulmglocke abgesaugt werden.)
Und man muss das Wasser regelmäßig in Bewegung bringen. (Wenn man das vergisst, riecht man es irgendwann. Das beste Alarmsignal ist die Nase: ein Becken, in dem sich zu viele Faulgase bilden, stinkt wie ein faules Ei im Wald.) Am simpelsten und bequemsten mit einer kleinen Springbrunnenpumpe von 5 Watt oder einem kleinen, leergeräumten Innenfilter, der nur als Pumpe funktioniert.
Wer das nicht hat, greift nach alter Väter Sitte auf Handarbeit zurück. Ja, mit einem Löffel wird das Becken zweimal am Tag durchgerührt. Das bringt Schwung in die Geschichte! (Am Ende der Einlaufphase kommt die Umwälz-Technik natürlich wieder raus. Und der Löffel zurück in die Küche.)
Und wann ist die Einlaufphase beendet, ab wann ist es stabil? Nun, man kann messen oder - stilechter - auf biologische Indikatoren vertrauen. Wenn sich die ersten Muschelkrebse bilden und die lustigen Nematoden (Fadenwürmer) schlängeln, dann ist alles im grünen Bereich.
Dann kann man endlich auch die Garnelen oder Krebse einsetzen.
6.) Altwasser. Am Anfang dachte ich noch, technikfreie Nanos bräuchten eine besonders hohe Frequenz des Wasserwechsels. Aber im Gegenteil! Mittlerweile lasse ich die Nanos - weitgehend - als Altwasserbecken laufen. Funktioniert einfach besser. Ich fülle nur den Verdunstungsverlust mit Osmosewasser auf. Das wars.
(Noch zwei Einschränkungen: So total technikfrei im strikt dogmatischen Sinne fahre ich eines der Becken aber nicht. Es steht im Schlafzimmer auf dem Fensterbrett. Da ist doch zur Sicherheit ein Heizer drin, der bei 14 oder 15 Grad anspringt, wenn es in Winternächten neben dem offenen Fenster für die Garnelen in 10 Litern vielleicht doch zu kalt wird. Da pfeift man eben auf die reine Lehre. Und: Solche Becken sind ein Paradies für Muschelkrebse. Von Zeit zu Zeit sauge ich die ab – und werfe sie als Lebendfutter in ein gieriges Salmler- und Bärbingsbecken. Dann fülle ich drei oder viermal im Jahr auch mal einige Liter simples Leitungswasser nach. Who cares?)
Also mit Red Fire-Garnelen oder Alabama-Krebsen beispielsweise klappt technikfreies Altwasser problemlos prima. Der einzige echte Pflegeaufwand ist, die Javamoos -Kugel alle zwei Monate mal umzudrehen…
Wenn Ihr Fragen oder - besser noch - weitere Anregungen habt, nur her damit! Bestimmt gibt es noch eine ganze Reihe anderer Wege! Und auf diesem Sektor einiges wiederzuentdecken.
Viel Glück beim Experimentieren,
Stefan
Ich spiele jetzt seit einigen Jahren mit technikfreien Nanos rum. Als Experiment macht so ein Becken allemal Spaß! Hat so einen nostalgisch-archaischen Touch: nach alter Väter Sitte, der "See im Glase"... So hat die Aquaristik vor 150 Jahren mal angefangen. Ohne Strom. Und CO2, ohne Filter.
Hier kommen einige Tipps, wie man ein technikfreies Nano - sagen wir mal 10 Liter für Garnelen - startet. Ohne Gewähr, aber mit den Basics unten hat man zumindest die Chance, dass es funktionieren kann. Schade: Viele Tricks der „Alten“ sind einfach verloren gegangen im Zug der Technisierung… Und auf 100 Dummheiten, die ich so gemacht habe, will ich aus Schamhaftigkeit jetzt mal nicht näher eingehen.
1.) Das Wichtigste zu Beginn ist der Bodengrund! Der muss stimmen, sonst kann das Becken später kaum stabil laufen. Denn der Bodengrund übernimmt die Hauptarbeit des biologischen Filterns. Mein Tipp deshalb: Kies. Nicht zu fein, am Besten mit einer Körnung von um die 6 bis 7 mm. So geht es am Leichtesten.
Warum? Mulm! Denn der "häßliche Schmodder" stabilisiert die ganze Kiste. Darin leben die Nitrobakter und die Nitrosomonas, die später den Nitrifizierungsprozess verantworten. Garnelen haben die dumme Angewohnheit, Mulm einfach wegzufressen. Deshalb sollte der Kies grob genug sein, dass sich in seinen Zwischenräumen genügend Mulm ablagern kann, der dem gierigen Zugriff der Krabbler entzogen ist. Dieses Depot ist wirklich wichtig.
Aber man will ja auch darin noch Pflanzen verankern können, also rund 6 mm. Das scheint mir der beste Kompromiss zu sein.
2.) Bepflanzung. Die alte Bauernregel: "Viel Grün, wenig Vieh!" stimmt hier umso mehr.
3.) Problem Sauerstoffmangel. Kleine Becken haben bei höheren Temperaturen im Sommer manchmal ein Sauerstoffproblem. Umso mehr technikfreie Becken, bei denen ja keine Umwälzung und Oberflächenbewegung stattfindet. Deshalb unbedingt eine Cladophora-Algenkugel rein. (Wird als Moos-Kugel überall verkauft.) Diese Algenkugeln sind Gold wert. a) als Weidewiese für Garnelen, b.) sie haben eine enorme Kapazität, O2 zu produzieren. Die feuern schon bei recht wenig Licht Massen von O2 raus. (So manches Aquarium wurde nur von seinen Algen gerettet!)
4.) Beleuchtung und Standort. Ost- oder Westseite auf einem Fensterbrett. Südseite heizt - bei uns in der Wein-Pfalz – durch die Scheiben zu sehr auf, bei Nordlage fehlt in unseren Breiten einfach das Licht. Trotz Standort unter einem Oberlicht muss ich bei meinem Nordbecken im Winter mit künstlicher Beleuchtung nachhelfen.
5.) Die nervige Einlaufphase. Das Becken ist gebaut, eingerichtet, jetzt muss es einlaufen. Und diese Phase ist bei technikfreien Becken sehr lange! Deutlich länger als bei Technikbecken.
Das muss man akzeptieren. Deshalb ist so was nichts für Leute, die nur ein Aquarium haben. Das stellt die Geduld auf eine (zu) harte Probe. Nur Schopenhauersche Heilige schaffen es, ihr erstes Aquarium technikfrei zu starten. Alle anderen sollten zwei, drei andere Aquarien schon haben ...
Diese Phase kann sogar drei Monate dauern! Animpfen mit Mulm aus einem anderen Becken verkürzt die Wartezeit allerdings enorm. Trotzdem werden die Werte im Becken zu Beginn ziemlich „springen“.
In der Einlaufzeit braucht das Aquarium Pflege. Nicht nur ein paar Futterkrümel obenrein - die nitrifizierenden Bakterien wollen ja was fressen - sondern sie brauchen auch Sauerstoff. Also: mindestens ein Wasserwechsel pro Woche von, sagen wir mal, 50 Prozent. (Aber nur das Wasser wechseln! Der Bogengrund darf nicht mit einer Mulmglocke abgesaugt werden.)
Und man muss das Wasser regelmäßig in Bewegung bringen. (Wenn man das vergisst, riecht man es irgendwann. Das beste Alarmsignal ist die Nase: ein Becken, in dem sich zu viele Faulgase bilden, stinkt wie ein faules Ei im Wald.) Am simpelsten und bequemsten mit einer kleinen Springbrunnenpumpe von 5 Watt oder einem kleinen, leergeräumten Innenfilter, der nur als Pumpe funktioniert.
Wer das nicht hat, greift nach alter Väter Sitte auf Handarbeit zurück. Ja, mit einem Löffel wird das Becken zweimal am Tag durchgerührt. Das bringt Schwung in die Geschichte! (Am Ende der Einlaufphase kommt die Umwälz-Technik natürlich wieder raus. Und der Löffel zurück in die Küche.)
Und wann ist die Einlaufphase beendet, ab wann ist es stabil? Nun, man kann messen oder - stilechter - auf biologische Indikatoren vertrauen. Wenn sich die ersten Muschelkrebse bilden und die lustigen Nematoden (Fadenwürmer) schlängeln, dann ist alles im grünen Bereich.
Dann kann man endlich auch die Garnelen oder Krebse einsetzen.
6.) Altwasser. Am Anfang dachte ich noch, technikfreie Nanos bräuchten eine besonders hohe Frequenz des Wasserwechsels. Aber im Gegenteil! Mittlerweile lasse ich die Nanos - weitgehend - als Altwasserbecken laufen. Funktioniert einfach besser. Ich fülle nur den Verdunstungsverlust mit Osmosewasser auf. Das wars.
(Noch zwei Einschränkungen: So total technikfrei im strikt dogmatischen Sinne fahre ich eines der Becken aber nicht. Es steht im Schlafzimmer auf dem Fensterbrett. Da ist doch zur Sicherheit ein Heizer drin, der bei 14 oder 15 Grad anspringt, wenn es in Winternächten neben dem offenen Fenster für die Garnelen in 10 Litern vielleicht doch zu kalt wird. Da pfeift man eben auf die reine Lehre. Und: Solche Becken sind ein Paradies für Muschelkrebse. Von Zeit zu Zeit sauge ich die ab – und werfe sie als Lebendfutter in ein gieriges Salmler- und Bärbingsbecken. Dann fülle ich drei oder viermal im Jahr auch mal einige Liter simples Leitungswasser nach. Who cares?)
Also mit Red Fire-Garnelen oder Alabama-Krebsen beispielsweise klappt technikfreies Altwasser problemlos prima. Der einzige echte Pflegeaufwand ist, die Javamoos -Kugel alle zwei Monate mal umzudrehen…
Wenn Ihr Fragen oder - besser noch - weitere Anregungen habt, nur her damit! Bestimmt gibt es noch eine ganze Reihe anderer Wege! Und auf diesem Sektor einiges wiederzuentdecken.
Viel Glück beim Experimentieren,
Stefan
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