Wasserwerte messen
eine Zusammenfassung meiner Erfahrungen
Einleitung:
Als Schüler mit 12 Jahren bekam ich mein erstes Aquarium – ein 25 Liter Rahmenaquarium mit
Glühlampenbeleuchtung. Damals gab es noch kaum Informationen zu Wasserwerten im Aquarium.
Literatur war teuer und Internet noch nicht erfunden.
Aus den wenigen Infos wuchs ein Forscherdrang, um die Zusammenhänge zu verstehen und aus den
wenigen Geldmitteln als Schüler das Bestreben für günstige Wege zur Messung der Wasserwerte.
Heute sind die Informationen unüberschaubar und vielfältig. Zu einer Frage kann man 100 Antworten
oder mehr finden. Hier die Zusammenhänge verstehen zu lernen, um unseren Pfleglingen möglichst
optimale Bedingungen zu bieten, ist viel schwerer als früher, wo es fast nichts an Informationen gab.
Ich bin der Ansicht, dass jeder Aquarianer einen Teil seiner Erfahrungen durch Informationen
beziehen kann. Aber umfassende Erfahrung kann man nur selber sammeln – selber erleben und die
vielen „Aha-Effekte“ selber kennenlernen. Der Aufsatz hier soll nur ein Hilfsmittel dazu darstellen.
Somit ist das der Versuch eine Anregung zu geben die Welt des Wassers unsere Pfleglinge besser
verstehen zu lernen.
Warum Wasserwerte messen?
Wenn wir erfahrene Aquarianer fragen, dann kann man sehr oft etwa die Aussage bekommen: „Ich
messe fast gar nichts (mehr) - die Fische und Pflanzen zeigen schon, wenn was nicht passt“.
Darin steckt meiner Meinung nach gleich einige Infos:
"gar nichts (mehr)": Jeder Aquarianer hat einmal mehr oder weniger intensiv gemessen, um die
Bedingungen und Besonderheiten seines Aquariums kennenzulernen - ist er einmal erfahren genug,
weil immer wieder dieselben Wasserverhältnisse und Aquariumverhältnisse vorliegen, dann ist das
richtig: man braucht kaum mehr messen, wenn man nicht züchtet oder besonders an Düngung oder
sonstigen besonderen Wasserzusammensetzungen interessiert ist. Heute kann ich selber in manchen
meiner Aquarien einzelne Wasserwerte besser schätzen als mit Tropftests messen. Das erfordert
allerdings gleichartige Bedingungen im Aquarium und selber hab ich halt schon über 45 Jahre
Erfahrung und Interesse. Erst mein Fotometer brachte wieder neue Möglichkeiten, z.B. gezielte
Düngung nach Messung um Veränderungen schon nach Stunden zu erfassen.
"Die Fische und Pflanzen zeigen schon, wenn was nicht passt.": Hier bin ich der Meinung, dass kein
Fisch zeigen soll, dass etwas im Wasser nicht passt - denn dann leidet der Fisch schon. Wir sollten
durch periodische Messungen oder gezielte Messungen und Maßnahmen verhindern, dass je ein
Fisch zu Schaden kommt. Und erst den Pflanzenbestand massiv zu schädigen, um dann
Gegenmaßnahmen einzuleiten, kann auch ganz schön teuer werden.
Warum ist es noch wichtig, selber Wasserwerte zu messen und Erfahrungen
zu gewinnen?
Bei einer Frage zu Wasserwerten kann man leicht 20 verschiedene Antworten bekommen - Beratung
heute (insbesondere über das Internet) ist eine schwierige Sache - zu viele verschiedene Erfahrungen
und Meinungen verunsichern mehr als sie helfen. Was bei einem im Aquarium funktioniert (oder
nicht), kann im eigenen Aquarium ganz anders sein.
Somit ist der beginnende Aquarianer gut beraten, sich grundlegende Informationen
anzueignen - aber die konkrete Erfahrung wird jeder Aquarianer nur selber
praktisch an seinen Aquarien bekommen, auch die Wasserwerte und deren Zusammenhänge. Erst
praktisch gemessen und die Entwicklung verfolgt und die Schwankungen und deren Gründe erlebt zu
haben, macht sicherer und fördert die Erfahrung.
Welche Wasserwerte wann und wie :
Streifentests/Tropftest:
Die größte Ungenauigkeit bei der Messung mit Tropftests oder Streifentests verursacht unser Auge!
Wir sind bei einer Farbe oft nur in der Lage Unterschiede von 200 Prozent oder mehr zu
unterscheiden (das ist die 2- oder 3-fache Farbintensität). Deswegen sind fast alle Tests 1-3-10
abgestuft (jeweils das 3-fache), weil das fast jeder unterscheiden kann.
Diese Tests sind nicht alle so ungenau, wie ihr Ruf es vermittelt, und in manchen Fällen reichen auch
"ungenaue" Streifentests.
Recht genau sind die pH-Messstreifen von Merck (und anderen Anbietern), welche 3 oder 4
Farbfelder haben und so eine Ablesegenauigkeit von 0,2 pH-Stufen ermöglichen. Problem dabei:
genaue Farbunterscheidung erforderlich.
Die pH-Messung als Teststreifen mit nur einem Farbfeld ist so gut wie immer zu ungenau für den
Aquarieneinsatz. Der pH-Wert kann zu niedrig und zu hoch für die Fische gefährlich werden - somit
rate ich hier mindestens zu verlässlichen Tropftest.
Nitrat als Streifentest ist zwar meist nicht sehr genau - da aber Nitrat im "schlechtesten" Fall Algen
fördert, aber Fischen kaum gefährdet, reichen auch Nitratteststreifen. Wobei man beurteilen mag,
ob solche Streifen denn überhaupt billiger kommen.
Heute kann ein hoher Nitratwert doch wieder etwas gefährlich werden, weil oft kaum das Wasser
bewegt wird, um „CO2 nicht auszutreiben“ (was bei etwas Wasserbewegung und etwas Durchlüftung
sowieso nicht erfolgt. CO2 ist leicht einbringbar – aber nur sehr langsam und schwer austreibbar).
Recht geringe Wasserbewegung kann nun im Aquarium zu einer unkontrollierbaren Denitrifikation
(durch Entzug von Sauerstoff erfolgten teilweisen Umsetzung von Nitrat zu Nitrit) kommen. Dadurch
können gefährlich hohe Nitritwerte auftreten.
Nitrit ist immens giftig für unsere Fische und Teststreifen können durch ungeeignete Lagerung (auch
Überlagerung) sehr rasch falsch oder gar nicht anzeigen. Nitrit kann in Stunden unseren ganzen
Fischbestand eliminieren. Somit empfehle ich für Nitrit Tropftests.
Ammonium/Ammoniak ist wieder je nach pH-Wert ein gefährliches Fischgift und sollte insbesondere
in der Einlaufphase eines Aquariums mit verlässlichen Tropftests gemessen werden.
Für Phosphat gibt es glaube ich sowieso nur Tropftest - auch ist Phosphat ja an sich für die Fische
nicht gefährlich.
Gefährlich kann zu viel Eisen werden – bei über 2 Milligramm pro Liter kann unter ungünstigen
Bedingungen Eisen in den Kiemen der Fische ausfallen und diese schädigen.
Bei Düngung ist die Messung von Eisen sehr wichtig, denn schon bei weit geringeren Mengen an
Eisen werden insbesondere Bartalgen und Büschelalgen massiv gefördert. Auch Eisen gibt es als
Tropftest (mit sehr unterschiedlicher Qualität).
Wenn wir schon bei Düngern sind: der gefährlichste aller Dünger ist CO2! Wenn man schon CO2
einsetzt, dann unbedingt einen Tropftest für CO2 besorgen - ein Zuviel an CO2 kann unseren
gesamten Fischbestand töten - und das geschieht meist mitten in der Nacht, wo auch Pflanzen kein
CO2 aufnehmen - also einmal den CO2-Verlauf seines Aquariums bestimmen. Die Berechnung von CO2
nach pH und KH durch häufig zu findende Formeln ist vollkommen ungeeignet, weil das viel zu
ungenau ist! Errechnete 5mg/l können auch 60mg/l sein.
Gleich "gefährlich" ist heute der Sauerstoffgehalt geworden - durch die Annahme, dass etwas
Wasserbewegung zu viel CO2 austreibt (was nicht stimmt, weil CO2 viel schwerer aus dem Wasser zu
bekommen ist als Sauerstoff, aber schon durch geringe Wasserbewegung ins Wasser kommt) haben
wir heute in Aquarien recht oft Sauerstoffmangel! Zusammen mit zu viel CO2 in der Nacht gibt es
kaum ein Aquarium mehr, wo die Fische in der Nacht ideal versorgt sind. 6 bis 7 Milligramm pro Liter
Sauerstoff könnten an sich immer im Aquarium sein - tatsächlich sind es oft sehr viel weniger - den
Sauerstoffgehalt mit einem (verlässlichen) Tropftest einmal im Tagesverlauf messen und wenn er
unter 5 Milligramm sinkt: Gegenmaßnahmen durchführen (Wasserbewegung/Durchlüftung).
Sauerstoffmessung erfolgt mit Tropftests.
Eigentlich hätten zu Beginn Gesamthärte und Karbonathärte stehen sollen. Haben wir Wasser und
Fische, die härteres Wasser bevorzugen, dann kommen wir mit Teststäbchen recht gut über die
Runden - auch wenn diese Teststäbchen zuweilen 100 Prozent Fehler und mehr anzeigen, macht das
bei hohen Härten kaum was aus.
Anders sieht es aus, wenn die KH gering ist, und diese im Zusammenarbeiten mit dem pH auch recht
rasch lebensbedrohliche Situationen im Aquarium schafft (Karbonathärte sinkt ständig etwas im mit
Fischen besetzten Aquarium). Hier ist ein verlässlicher Tropftest für Karbonathärte (und pH)
unerlässlich, und periodische Messungen überwachen die Grenzwerte.
Nochmal zu Düngern und mit Pflanzen zusammenhängenden Wasserwerte:
Häufigster Verursacher für Büschelalgen ist Eisen - für Grünalgenplagen ist aber fast nie Phosphat
oder Nitrat, sondern Kalium verantwortlich! Früher oft zu wenig wird heute oft überdngt - und
meist mangels Messmöglichkeit eben der Ersatzschuldige Phosphat oder Nitrat gesucht.
Kaliummessung mit Tropftest ist möglich und insbesondere für Pflanzenaquarianer und bei Algen
eine große Hilfe.
Chlorid ist ein weniger beachteter Wasserwert, welcher einerseits ständig dem Aquarium zugeführt
wird (Fütterung, insbesondere durch Trockenfutter) und sich mangels Messung oft anhäuft. Bei über
100 mg/l werden schon manche Pflanzen geschädigt und auch die Fische beeinflusst. Manche Fische
mögen kaum Chlorid und viele Fische reagieren durch Schleimabsonderung der Haut - was bei
Heilbehandlungen sinnvoll erscheinen mag. Ständig viel Chlorid (außer Brackwasserfische) kommt
aber einer ständigen Reizung des Fisches gleich.
Der Chloridwert ist auch ein guter „Altwasserindikator“ – besser als Nitrat. Bei einem gut bepflanzten
Aquarium wird Nitrat rasch verbraucht – Chlorid häuft sich aber deutlicher an, da es nicht so stark
von Pflanzen aufgenommen wird. In meinem Aquarium kann ich den Anstieg gut verfolgen.
Auch bei Senkung der KH durch verdünnte Salzsäure entsteht viel Chlorid, ebenso wenn wir Wurzeln
ins Aquarium geben wollen. Diese sind die oft mit Kochsalz konserviert und müssen gewässert
werden, bis kaum mehr Chlorid nachweisbar ist. Nach Kochsalzbädern wird man sich wundern, wie
lange man Wasser wechseln muss, bis Chlorid halbwegs geringe Werte hat. - Insofern ist Chlorid
nicht sehr gefährlich - aber immer wieder einmal interessant zu wissen, wie hoch es ist. Einen
Chloridtest gibt es als Tropftest.
Für Neueinrichtungen sind folgende Tropftests noch interessant bzw. um sein Leitungswasser einmal
kennenzulernen: Kupfer (giftig) und Kieselsäure (wegen Braunalgenplagen).
Andere Messmethoden:
Einige Wasserwerte kann man auch oder nur elektronisch messen.
Dazu gehört die Leitfähigkeit („Leitwert“), welcher eine Gesamtbeurteilung des Wassers in Bezug auf
Mineralgehalt zulässt.
Der pH-Wert elektrisch gemessen kann genauer sein - der Aufwand dafür ist nicht gering (billige
Geräte sind kaum genauer als Tropftests, teure mssen öfter kalibriert werden und zuweilen die
Elektrode getauscht werden - bei weichem Wasser versagen einfachere Geräte)
Weiters der Redoxwert, welcher eine Gesamtbeurteilung des Aquariumwassers insbesondere in
Bezug auf Abfälle und Filterleistung und gefährliche mögliche Sauerstoffreduktion zulässt. Dieser
Wert ist im Süßwasser nur schwer zu messen - es gibt aber auch eine chemische Messmöglichkeit mit
Indikatoren.
Ammonium, Nitrat, Chlorid und einige andere Stoffe können elektrisch mittels ionensensitiver
Elektroden gemessen werden - der Preis solcher Geräte ist für die Anwendung für Hobby-Aquarianer
zu hoch. Ich hatte so ein Gerät einmal zum Test. Es ist toll, aber eben teuer (kostete damals über 250
Euro pro Wasserwert).
Zuweilen gibt es auch einfache Fotometer, welche Tropftests für einen einzigen Wert verarbeiten
und anzeigen - sind aber dafür, dass nur ein einziger Wert gemessen werden kann, nicht gerade billig.
Multifotometer für verschiedenste Wasserwerte sind meist immens teuer.
Auf meiner privaten Homepage anton-gabriel.at wird aber auch der Bau eines Multifotometer
beschrieben, welches sehr viele Wassertropftests messen kann und recht günstig selber herstellbar ist.
Fast alle Tropftest können mit diesem Multifotometer gemessen werden und man bekommt eine 3
bis 20 mal höhere Genauigkeit und Nachweisgrenze der Tests. Außerdem muss man keine Farben
mehr vergleichen, und es ist keine Kalibrierung nötig (außer beim ersten Mal messen).
Die Kalibrierung ist sicher eine Hemmschwelle für den Privatanwender - sie ist aufwändig und relativ
teuer. Es gibt aber auch schon ein sehr günstiges Multifotometer samt allen Tests fertig kalibriert und sofort
messbereit zu kaufen.
Auf so ein Multifotometer fertig kalibrierte Tests beinhalten u.a.: pH-Wert, Kalium, Chlorid, Eisen,
Phosphat, Ammoniak, Nitrit und Nitrat sowie Sauerstoff usw.
Warum so genau messen – Beispiele:
Man kann auch auf 5 Prozent und genauer messen!
· Überdüngung oder mangelnde Düngerstoffe können schon Stunden nach der Düngung
gemessen werden und man kann gegensteuern (Wasserwechsel oder Zusatzdüngung). Mit
Tropftests kann man Veränderungen oft erst nach Wochen unterscheiden, weil z.B. der
Anstieg von 10 auf 30 mg/l Nitrat 2 Wochen dauern kann. Erst dann ist es auf der Farbtafel
von Tropftests die Farbe unterscheidbar. Im Fotometer misst man auch Unterschiede von 0,5
mg/l Nitrat nach Stunden oder am nächsten Tag.
· Nitritanstieg beim Einfahren oder durch einen toten Fisch kann man genau schon
messen, lange bevor der Wert gefährlich wird.
· Kalium als Dünger ist genau messbar und eine Grünalgenplage abwendbar.
· Chlorid zeigt rechtzeitig ein Altern des Aquariumwassers an – besser als Nitrat.
· Eisen kann in Spuren gemessen werden und für die Pflanzen verfügbar dosiert werden, ohne
massiv zu überdngen (was wieder Bartalgen fördert oder sogar Fischkiemen angreifen kann)
Alle Veränderungen dieser Werte misst man also genau schon sehr rasch Stunden bevor noch
Unheil angerichtet wird.
Schluss:
Jeder Aquarianer tut gut daran, sich wenigstens zu Beginn mit Wasserwerten und deren
Zusammenhängen zu beschäftigen und Erfahrung zu gewinnen. Manche Werte erscheinen wichtiger,
weil gefährlicher, manche Werte wieder interessieren nur Pflanzenaquarianer. Zu tun haben wir mit
Wasser und seinen Werten solange wir Aquarianer sind - mit Erfahrung vielleicht etwas weniger - bei
auftretenden Problemen wieder etwas mehr.
Wer erfahren sein will, wird es eben durch "erfahren" - das geht nicht alles durch Bücher oder
Beiträge wie dieser Beitrag - das geht nur praktisch mit seinem Aquarium - und ein Teilgebiet im
Aquariumalltag ist eben Aquariumchemie. Eine kleine Anleitung und Anregung dazu sollen diese
Seiten vermitteln.
Schöne Grüße und viel Erfolg
Anton Gabriel