Vollkasko - Aquaristik


    • lonesome
    • 3327 Aufrufe 16 Antworten

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Vollkasko - Aquaristik

      Huhu,

      und auch gleich Vorsicht. Der Thread ist nichts für schwache Nerven, denn er wird zynisch, nachdenklich, provokant und vielleicht noch das ein oder andere mehr. Und so mache ich einfach mal ein Thema auf, was mich schon lange umtreibt, und gestern wieder mal zum Tragen kam bin gespannt ob eine Diskussion aufkommt :popcorn:

      Ich hatte gestern einen Termin, wo ich privat bei einem Aquarianer eine Koralle abholen konnte, und es entwickelte sich zum Treffen der Generation. Koralle, Meerwasser, bin ich aus dem Thema raus? Weit gefehlt, es ist egal um welchen Teilbereich der Aquaristik es geht. Ob Süß, See oder Brackwasser, ob Schildkröte, Molch oder was sonst noch in unseren Heimen im Glaskasten wohnt und mit und von lebt. Ich werde auch bewusst das Thema oder die Beckenbeschreibung des Meerwasserbeckens außen vor lassen und das ist - versprochen - das letzte Mal das es erwähnt wird. Hier soll es um was anderes gehen.

      Ich war bei jemanden, der gerade so an der Rentengrenze ist. Sagen wir mal der Hausherr war so 65, betrieb das Hobby nun auch schon 40 Jahre, ich bin Anfang 40, sein Sohn schätze ich auf Mitte 20. Sehr nette Leute, schnell kam eine Diskussion auf und wir stellten auch gleich gemeinsame Bekannte fest. Viele Jahre Aquaristik - es ist ein Dorf, man sieht sich wieder. Der Sohn fing an das Gespräch zu führen, doch schnell kam ich mit dem Hausherrn ins Gespräch und wir schwelgten in alten Weisheiten. Es ging auf einmal ums eingewöhnen von Tieren, Vitamintabellen, Zusätze die noch selbst angemischt wurden, das man stark rauchend beim Bier im Keller auf Tierimporte gewartet hat und diese auch selbst akklimatisieren musste.


      Wir sprachen dann über die heutigen Zeiten, dass man alles vorgekaut bekommt und als Kunde erwartet, dass seine Tiere "Vollkasko" sind: Es ist wie der Kauf einer DVD oder ähnlichem. Das hat zu funktionieren, nur warum das funktioniert tritt immer mehr in den Hintergrund.


      Eine Bestätigung fand ich kürzlich in einem Zooladen, wo mir ein junger Verkäufer mitteilte: Alles kein Problem, das wächst wie Unkraut. Das will doch keiner haben. Sein Chef stand daneben und ich konnte es mir nicht verkneifen ihn volley zu nehmen. Der Chef lag lachend über der Theke als wir mal ein wenig ausgeholt haben und ich ihm dann sagte, dass er sich auf Dinge verlässt, von denen er keine Ahnung hat, ihm aber (industriell) zur Verfügung gestellt werden.

      Es war ein weiter Weg bis heute, Naturentnahmen gehen zurück, es werden Tiere gezüchtet die man für unmöglich gehalten hat. Pflanzen, Korallen, Reptilien,.... es war nie so einfach wie heute. Aber irgendwie... fußt das alles auf gefährlichem Halbwissen mit dem Anspruch, für sein Geld eine funktionierende Ware zu bekommen. Es handelt sich aber um Tiere, es handelt sich auch um Naturentnahmen (die ich persönlich nicht schlimm finde) die einfach mal einen Infekt bekommen können oder ihn in sich tragen. Wir vergessen glaube ich auch nur allzu häufig, das wir wie wild "mischen". Tiere aller Kontinente schwimmen in einem Eimerchen, ohne das auch mal die Gefahr lokaler Krankheiten in Betracht zieht. Was ich sagen will: Einem Europäer wird die Marktsuppe in Vietnam vielleicht auch nicht so bekommen wie einem Südamerikanischen Salmler die Vergesellschaftung mit einer Barbe aus Asien.

      Bin mal auf Eure Meinungen gespannt :grinz:
    • Huhu!

      Das, was Du beschreibst, begegnet mir in allen möglichen Lebensbereichen. Beispiel: Ich bin ja im Tierschutz tätig und pflege und vermittle Windhunde aus spanischen Tötungsstationen. Ich habe eine Hündin in eine Familie vermittelt, die aufgrund ihres schlechten Vorlebens, eine Narbe am Ellenbogen hatte. Die Hündin ist im Beisein des Besitzers gestürzt und hat sich genau an der vernarbten Stelle erneut verletzt und musste tierärztlich versorgt werden und der Verband musste regelmäßig erneuert werden. Die Wunde heilte schlecht und das zog sich hin. Nach einigen Wochen hatte der Typ die Nase voll und hat mir den Hund zurück gebracht nicht ohne uns die Tierarztrechnung um die Ohren zu hauen und dann noch den Verein auf Rückgabe der Schutzgebühr zu verklagen... Da hat man echt keine Worte mehr.

      Wenn man die Verantwortung für ein Lebewesen übernimmt, muss man dies mit allen Konsequenzen tun, auch wenn es mal unbequem wird. Man hat auch die Pflicht sich über die Lebensbedingungen und Bedürfnisse der Tiere zu informieren. Auch wenn man Tiere im Laden kaufen kann, können sie in meinen Augen eigentlich keine Ware sein. Es ist eine Aufgabe, die man sich stellt und für die man für lange Zeit Verantwortung übernimmt. Auf die Aussagen der Verkäufer kann man sich auch nicht unbedingt verlassen, man muss sich selber schlau machen und eigenverantwortlich handeln.

      Ich weiß gar nicht, warum Du das Thema zynisch und provokant findest... :zwinker:
      Liebe Grüße von BaBo
    • Hi,

      Schlimm finde ich persönlich die Leute, die von Anfang an sagen, es geht so nicht.
      Ich mein, mittlerweile habe ich soviel in der Aquaristik gesehen und gemacht, Dinge, von denen ich sicher war, dass sie nicht gehen und sie gingen. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand sagt, ohne Wasserwechsel geht nichts. Genauso wie ich es nicht mag, wenn jemand sagt, du musst keine Wasserwechsel machen. Beides kann funktionieren. Es gibt nur wenige dinge in der Aquaristik (ich spreche jetzt mal von Süsswasser), die felsenfest verankert sind.
      Ich hatte letztens ein 12l Becken mit einer 5mm dicken Schicht Quarzsand. Ca. 4-5cm Laub, ein paar Wurzeln und 20 Erlenzapfen. Keine Beleuchtung und Torffilterung. Eingezogen ist ein Pärchen Betta persephone. Die haben sich da drin alle 3 Wochen gepaart. Die hatten Farben, die habe ich bisher so schön noch nicht bei diesen Fischen gesehen. Das Wasser war allerdings dunkel wie Cola.

      Mir haben einige Leute gesagt, das geht in die Hose. Das fing an mit dem Säuresturz, ging über das fehlende Licht ohne das die Fische nicht leben können, bis hin zu den Haufen Erlenzapfen, die mir die Fische wegrichten. Aber garnichts. Alles war bestens.

      Es reden mittlerweile soviele Leute über die Aquaristik und wissen soviel, ohne das sie wirklich viel getestet haben. Ich bin aus sämtlichen Facebookgruppen heraus, weil ich dort wegen folgenden Gründen beleidigt wurde (bzw. als Tierquäler bezeichnet wurde):
      Weil ich Becken unter 54l benutze, der PH-Wert in dem einen oder anderen Becken um die 4,5-5,5 hoch ist (und das bei Fischen, die solche Werte brauchen), weil ich destilliertes Wasser benutze, weil ich zu Regenwasser geraten habe, Becken ohne Filterung betreibe, wenige und geringe Wasserwechsel mache, keine GH oder KH messe, GH und KH teilweise von 1 in Aquarien habe, Jungfische in Plastikboxen aufziehe, weil ich Lebendfutter verfüttere (kein Scheiss, ich bin angegangen worden, weil ich lebende Mückenlarven verfüttere), weil ich auch mal Guppyjunge verfüttert habe.

      Einiges mag ich noch vergessen haben. Ich habe selber soviel testen müssen, weil es kaum Info zu Schwarzwasser gab. Mir wurde gesagt, hol dir 'nen Sack Torf und fang einfach an. Und genau so habe ich es gemacht. Durch selber testen findet man heraus, wie was funktioniert. Das fehlt vielen Aquarianern heute. Aber auch, weil es soviele Leute gibt, die gleich soviel Angst verbreiten oder aber mit dem Gewissen kommen. Man darf garnicht mehr testen, um ja niemanden zu schaden.
      Wenn ich auf die Aquarianer gehört hätte, die immer mit ihrem Gewissen kommentieren, hätte ich vieles garnicht erst probieren dürfen. Das halte ich für ein sehr, sehr grosses Problem. Ich mag meine Fische und mich freut es sehr, wenn sie sich vermehren. Aber bei mir hat kein Fisch einen Namen. Gefühle haben meine Fische nicht. Die sind nicht einsam, wollen spielen oder suchen Freunde. Ich kann nur sagen, ob die Fische volle Farbe zeigen, sich nicht bis zum Tot kloppen, sich vermehren, aber nicht, ob sie zufrieden sind. Hier gehen einige Leute mit zuviel Menschlichkeit an die Sache, was mitunter sogar schlecht für die Fische ist. Gutrs Beispiel ist hier das Futter. Lieber zuviel, damit er nicht hungern muss. Oder Einzelgänger bekommen zwangsläufig Gesellschaft, damit sie nicht allein sind.
      Manchmal sind Tiere eben Kinderersatz oder Ersatz für andere fehlende soziale Bindungen.

      Gruss
      Sascha
    • ich denke, dass ein nennenswerter Teil dieser so schlau redenden Menschen sich gerne als ach so tierbewusst, intellektuell, sorgfältig, kritisch, einfühlsam und was weiß ich in Szene setzen möchte. Nur das diese Ansprüche ebenen icht Sachkenntnis und Praxis ersetzen, ignorieren sie permanent. Daher kann man sagen, dass je mehr jemand in seinen Beiträgen oben beschriebene Eigenschaften vorschiebt, er um so weniger wirklich drauf hat. Ich habe noch nie erlebt, dass es davon eine Ausnahmne gegeben hätte.
      Regionalgruppe Nord der DKG: www.killi.org/RG-Nord/
      22.10.2016: Dr. Frank Strozyk, Aachen: "anspruchsvolle Labyrinthfische vermehren" - Vom Großmaul-Kampffisch bis zum Zwergschokoladengurami
    • Hallo lonesome,

      ich habe meistens ein Problem mit Äußerung die in etwa in die Richtung gehen:**** Früher war alles besser, auch die Menschen, weil es denen nicht so einfach gemacht wurde, wie heutzutage.****

      Meine Meinung ganz allgemein: Wir Älteren und die Jüngeren und die ganz Jungen haben es in vielerlei Hinsicht leichter heute und in genauso hohem Maße viel schwerer: Die Welt ist so verdammt unübersichtlich und kompliziert geworden. Die Herausforderungen sind einfach andere....ganz, ganz andere als früher. Kleines Beispiel: Früher verbrachten Mütter viel Zeit mit Windelwaschen und sonstiger Haushaltswahnsinnsarbeit. Darüber, wie ein Baby artgerecht zu halten ist, zerbrachen sich die wenigsten Eltern den Kopf. Man machte es so, wie man es immer schon machte. Punkt. Heute ist das anders, ganz anders. Artgerechte Baby-Haltung ist heute viel, viel komplizierter. Warum das so ist, und warum das gut so ist....darauf will ich nicht eingehen, weil komplett OT.;-)

      Nun zur Aquaristik im Speziellen: Frühers, vor 40 Jahren oder so, als ich selbst damit anfing, machte ich mir kaum einen Kopf darüber. Warum ich nicht scheiterte, hab' im Interview hier im Forum erzählt, falls es jemanden interessiert. Hier nur so viel: Ich hatte einfach Glück und ein klitzeklein wenig Ahnung von sowas wie Ökosystemen. In Bio hatte ich immer einen Einser, ne. :cool: Ich erinnere mich an ein paar Aquarianer aus dieser Zeit und davor, die allesamt scheiterten, weil sie nicht so viel Glück und absolut null Plan von Ökologie hatten. Die wunderten sich immer, warum ihre Becken nie ins Gleichgewicht kamen, obwohl sie doch alle vier Wochen alles neu aufsetzten und sämtliche Wurzeln und Steine abschrubbten und auskochten. Am liebsten hätten sie dies auch mit ihren Tieren getan. War aber eigentlich nicht nötig, weil sie eh nach ein paar Monaten spätestens eingingen. Richtige AQ-Füchse, wie dich lonesome und andere, kannte ich damals keinen einzigen. Und heute gibt es halt immer noch solche und solche: Welche, die der Meinung sind, dass Natur dann funktioniert, wenn man nur möglichst viel menschengemachtes teures Zeugs reinkippt und einsetzt und irgendwann trotzdem und gerade deshalb, enttäuscht aufgeben. Und die, die mit viel Sachverstand, Einfühlungsvermögen in biologische Zusammenhänge und Verantwortung an die Sache drangehen und jeden Tag begierig dazulernen möchten. Zum Wohl ihrer Tiere und ihrem eigenen.

      Obiges gilt übrigens nicht nur für die Aquaristik. Das gilt für jegliche Tierhaltung. Und ja, ich habe den subjektiven Eindruck, dass heute mehr Leute bereit sind, sich wirklich damit zu beschäftigen, was ihre Tiere brauchen, als früher. Früher stand der Nutzen des Tieres, auch des Heimtieres im Vordergrund, heute eher sein Wohlergehen. Früher hielt man sich mal eben _ein_ Meerschweinchen, weil das Kinderzimmer zu klein war für mehrere, heute ist die Haltung dieser Tiere ein Universum für sich. :lach: Und ja, auch diese erfreuliche Tendenz in der Heimtierhaltung kann imho übertrieben werden. Kann es sein, dass es heute mehr Foren zu artgerechter Hundehaltung gibt, als zu der von Kindern?? :popcorn:
      Grüße aus Nürnberg

      Gisela



      ”Alles, was wir hören, ist eine Meinung - keine Tatsache.
      Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive - keine Wahrheit.“

      Zitat: Weiß net.....aus'm Netz gefischt. :-)

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von MariaErna ()

    • MariaErna schrieb:


      ............
      Obiges gilt übrigens nicht nur für die Aquaristik. Das gilt für jegliche Tierhaltung. Und ja, ich habe den subjektiven Eindruck, dass heute mehr Leute bereit sind, sich wirklich damit zu beschäftigen, was ihre Tiere brauchen, als früher. Früher stand der Nutzen des Tieres, auch des Heimtieres im Vordergrund, heute eher sein Wohlergehen.
      ..........


      Hi,

      Und ich sehe hier eben ein sehr, sehr grosses Problem. Klar gibt es einige Leute, die sich schön reinhängen in die Sache. Nur sind es oftmals diese Leute, die sich ihr Wissen über das Internet holen und andere Möglichkeiten selten akzeptieren.
      Schau mal nur in Richtung Wasserwechsel. 97% der Aussagen im Internet dazu sagen, dass grosse und häufige Wasserwechsel gut sind. Zwar gibt es relativ wenige Aussagen, die behaupten, weniger Wasserwechsel, wie einmal die Woche, schadet, aber viele lesen heraus, wenn man das eben nicht macht, wie es überall geschrieben wird, ist es schlecht.
      Anderes Beispiel Wasserwerte:
      Viele Aussagen im Internet sagen, man sollte mindestens einmal die Woche PH, GH und KH messen. Viele lesen daraus, dass man etwas schlechtes tut, wenn man das eben nicht macht. (Übrigens wird der wichtigste Wert im Aquarium von keinem einzigen Aquarianer gemessen: Sauerstoff!)
      Oder eben auch das blöde Gutachten des TVT: Zur dauerhaften Haltung von Fischen sind Gefässe unter 54l nicht geeignet. Dieses Gutachten wurde von Tierärzten gemacht, die wahrscheinlich nichtmal selber Aquarianer sind. Davon abgesehen, dass ich bezweifel, dass irgendeiner von denen überhaupt mal eine Fischart in kleinen Becken gehalten hat und damit garnicht fähig ist so eine Aussage zu tätigen. So eine Aussage ist sowieso wertlos, wenn man nicht dazu schreibt, warum man dadrauf verzichten sollte. Das erweckt eben den Anschein, dass es eine Aussage ist, die nicht auf eigene Beobachtungen zurückzuführen ist, sondern rein nach Gefühl und Gewissen getroffen wurde.
      Lange Rede, kurzer Sinn: Für viele heisst dieses Gutachten, dass alle etwas schlechtes tun, die sich eben nicht da dran halten. Da kann man sogar mit Fakten kommen und die werden gekonnt übersehen.
      Wie gesagt, mitunter ist zuviel Gefühl und Gewissen dabei. Und sein wir mal ehrlich: Das meisste habe ich durch Fehler gelernt. Fehler muss man machen, um weiterzukommen.

      Meinen ersten Wurf der Betta persephone habe ich komplett verheizt, weil ich sie in der kleinen Plastikbox mit Essiggälchen gefüttert habe, die wohl das Wasser zu heftig verschmutzt haben. Auch mit den Mikrowürmchen habe ich hier und da Jungtiere verloren. Jetzt sieht es so aus, als hätte ich den Bogen heraus. Diese Opfer waren leider notwendig, damit ich lernen kann und die nächsten Würfe ohne Verluste aufziehen kann.

      Tierliebe und -schutz ist vollkommen ok. Aber im Rahmen und trotzdem sollte man nicht die Augen vor anderen Sichtweisen in der Aquaristik verschliessen, nur weil einem das eigene Gewissen da eine Grenze setzt. Andere Herangehensweisen können genauso zum Erfolg führen.

      Edit:
      Um es verständlicher zu machen: Ich bin bestimmt nicht dagegen, wenn sich jemand bemüht und dazulernen möchte. Auch wenn es über das Internet ist, so kann man trotzdem lernen. Den Fehler sehe ich nur dadrin, dass man damit meint, man weiss alles. Ich habe die Tage wieder gelesen, dass jemand schreibt, ich bin zwar neu in der Aquaristik, aber das und dieses machst du falsch.
      Anfänger beraten Anfänger.

      Gruss
      Sascha
    • MariaErna schrieb:

      Und ja, auch diese erfreuliche Tendenz in der Heimtierhaltung kann imho übertrieben werden. Kann es sein, dass es heute mehr Foren zu artgerechter Hundehaltung gibt, als zu der von Kindern??



      HiHi zusammen

      Vollkasko? Ja, ist Was dran. Vom Schwert her aber zweischneidig, wie es Gisela schon angedeutet hat.

      Ich sehe das ambivalent: Auf der einen Seite hat sich in der Art der - privaten - Tierhaltung in Mitteleuropa einiges geändert, Vieles verbessert. Sich um Haltungsbedingungen und Artgerechtigkeit seiner Tiere zu bemühen, zu kümmern und auch darüber zu diskutieren, ist ja erstmal was Gutes.

      (Ob ich nun aber alle, die sich kümmmern, in die Richtung stellen muss, dass sie aquaristisch nichts drauf haben? Na, das ist die Vorurteilsstruktur eines älteren Herrn mit einem spezifischen Erfahrungs- und Wahrnehmungshorizont, muss man ja nicht gegen angehen...)

      Es gibt dann aber gleichzeitig auch weiter reichendere Tendenzen: Immer mehr Menschen, die - gelinde gesagt - einen Schuß im Brett haben! Aber so richtig!

      Die vor lauter vermeintlicher Tierliebe total durchknallen! Die Tiere als KInderersatz, Partnerersatz, Familienersatz mißbrauchen. Klar doch, bei Fischen und Krebsen ist sowas seltener der Fall, allemal aber bei Hunden.

      Ein kleines Beispiel, das mir gerade öfter begegnet ist: Du kannst keinen Hund mehr "kaufen", nein, Du schließt einen "Adoptionsvertrag" ab! HÄH? (Bin ich ein kinderloser russischer Großfürst, der einen vierbeinigen Nachfolger für seinen Großgrundbesitz, seine Leibeigenen und seine Latifundien sucht? Dreimal: Nein!)

      Da schlägt es mittlerweile in bestimmten Teilen einer "Szene" in gegenteilige Extrempositionen um. Aus der wenig artgerechten Mißachtung von Tieren wird eine genauso wenig artgerechte Vermenschlichung der Tiere!

      Grüße,
      Stefan


      P.S. Zugegeben, nach Saschas Beitrag kommt meiner etwas spät: Jetzt sind wir ein bisserl weg geraten von der Aquaristik.

      Aber auch hier im Forum sehen wir doch öfter, dass Aquaristik die Verlängerung des persönlichen Egos ist. Man will alles "richtig" machen, "gut" machen - und so genau muss alles sein! Alternative Wege jenseits des Mainstreams sind generell erstmal "schlecht", da muss man im Brustton der Überzeugung gegen "wettern"!
    • Prestutnik12 schrieb:


      ...............

      Es gibt dann aber gleichzeitig auch weiter reichendere Tendenzen: Immer mehr Menschen, die - gelinde gesagt - einen Schuß im Brett haben! Aber so richtig!

      Die vor lauter vermeintlicher Tierliebe total durchknallen! Die Tiere als KInderersatz, Partnerersatz, Familienersatz mißbrauchen. Klar doch, bei Fischen und Krebsen ist sowas seltener der Fall, allemal aber bei Hunden.

      Ein kleines Beispiel, das mir gerade öfter begegnet ist: Du kannst keinen Hund mehr "kaufen", nein, Du schließt einen "Adoptionsvertrag" ab! HÄH? (Bin ich ein kinderloser russischer Großfürst, der einen vierbeinigen Nachfolger für seinen Großgrundbesitz, seine Leibeigenen und seine Latifundien sucht? Dreimal: Nein!)

      Da schlägt es mittlerweile in bestimmten Teilen einer "Szene" in gegenteilige Extrempositionen um. Aus der wenig artgerechten Mißachtung von Tieren wird eine genauso wenig artgerechte Vermenschlichung der Tiere!

      .........


      Hi,

      Ganz fettes Danke dafür. Genau das meine ich.


      Gruss
      Sascha
    • Da möchte ich auch gern noch etwas zu sagen: Wie oben schon erwähnt bin ich selber im Tierschutz tätig und vermittle Hunde. Daher bin ich auch mit sogenannten Adoptionsverträgen vertraut. Der richtige Begriff dafür ist eigentlich Schutzvertrag, denn darum geht es dabei. Es ist kein Kaufvertrag im eigentlichen Sinn, der Begriff soll den Unterschied deutlich machen.
      Es soll auf die besondere Verantwortung aufmerksam gemacht werden, dass man ein Tier mit Vorgeschichte, vielleicht mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Verhaltensproblemen bekommt. Wir machen mit dem Schutzvertrag auch deutlich, dass wir, als vermittelnder Verein weiter Verantwortung für das Tier übernehmen. Wenn der Halter beispielsweise erkrankt und das Tier nicht mehr halten kann, gibt er das Tier an uns zurück und nicht etwa ins Tierheim. Wir stehen den neuen Haltern mit Rat und Tat zur Seite, auch noch nach Jahren.

      Wenn ich ein Tier (einen Hund) beim Züchter, oder einem gewissen Zooladen im Ruhrgebiet kaufe, geht das nach wie vor mit einem Kaufvertrag, mit Rückgaberecht und sonst keiner weiteren Verpflichtung für den Verkäufer.


      Der Begriff Adoption ist in diesem Zusammenhang in der Tat unglücklich gewählt, es trifft den Kern der Sache nicht und es besteht dann der Verdacht, der Vermenschlichung.

      Ein Tier ist kein Auto, oder Küchengerät, was man einfach kaufen und bei Nichtgefallen wieder zurückgeben, oder weiterverkaufen kann. Die Verantwortung, die man mit der Aufnahme eines Lebewesens übernimmt geht über das hinaus, was ein Kaufvertrag regeln kann. Daher finde ich diese Abgrenzung wichtig und das meinte ich anfangs mit: Ein Tier kann eigentlich keine Ware sein. Bestätigt wird das ja auch durch einige Geschichten, die ich hier und in anderen Aquariumportalen gelesen habe, wo in Geschäften die unmöglichsten Besatzempfehlungen etc. gegeben werden und wenn esdaruaf hin Probleme gibt, werden noch teure Problemlösungen verkauft und ansonsten mit der Schulter gezuckt.
      Liebe Grüße von BaBo
    • Danke Ronda für deine Infos zum Thema Adoptionsverträgen für Hunde. Denn ohne diese hätte ich nochmal ein Stückweit mehr den Glauben an einen Teil der Menschheit verloren. Denn schlimm genug, dass ich zugegeben auch wieder nur rein subjektiv folgendes wahrnehme, welches hierzu passt:


      Prestutnik12 schrieb:



      Die vor lauter vermeintlicher Tierliebe total durchknallen! Die Tiere als KInderersatz, Partnerersatz, Familienersatz mißbrauchen. Klar doch, bei Fischen und Krebsen ist sowas seltener der Fall, allemal aber bei Hunden.



      Frühers als meine Töchter Kleinkinder waren, trafen wir jungen Eltern uns oft zum Spazierengehen mit den lieben Kleinen. Und immer standen wir dann zusammen und plauderten. Worüber? Na klar, über eben diese unsere lieben Kleinen, die Mittelpunkte unseres damaligen Lebens. Und selbige tobten um uns herum. Heute, ich gehe immer noch gerne spazieren, begegne ich kaum noch solchen Jungelterngrüppchen, sondern vor allem Hundehaltern, die beisammen stehen und über ihre Hunde quatschen. Um sie herum toben, wie damals bei uns, ihre Schutzbefohlenen. Halt eben keine Kinder, sondern Hunde. Der Mittelpunkt ihres Lebens? Das wage ich nicht zu beurteilen. Geht mich nix an. Nur in sofern, dass mir diese Hundis dermaleinst keine Rente zahlen. Doof, das! :cry:
      .
      Grüße aus Nürnberg

      Gisela



      ”Alles, was wir hören, ist eine Meinung - keine Tatsache.
      Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive - keine Wahrheit.“

      Zitat: Weiß net.....aus'm Netz gefischt. :-)
    • Huhu Gisela!

      Ich kann Deine Gedanken gut nachvollziehen. Du kannst mir glauben, ich begegne öfter Leuten die so denken wie Du. Ich als studierte Kinderlose, mitte 40 bin ja das gerne herangezogene Paradebeispiel für diese Argumentation. :zwinker: Natürlich spielen die Hunde in meinem Leben eine große Rolle, aber "Kindersatz" sind sie deshalb noch lange nicht. Kinder zu haben ist nochmal eine ganz andere Dimension von Verantwortung, das kann man nicht auf eine Stufe stellen.

      Hundebesitzer quatschen halt gern über ihre Hunde und Aquarianer reden über Fische, daran ist ja erstmal nix verkehrt!

      Wenn ich Hunde vermittle, erwarte ich aber, dass der Hund in die Familie integriert ist, ich gebe keinen Hund in Zwingerhaltung. Ob der Hund dann bei den Leuten auf dem Sofa sitzen, oder im Bett schlafen darf, ist mir ziemlich Wurscht, dass muss ja jeder selber wissen. Die Leute müssen eine gewisse Rassekenntnis haben und auch Willens und in der Lage sein, die Bedürfnisse dieser speziellen Tiere zu befriedigen.
      Liebe Grüße von BaBo
    • Hi,

      Vielleicht mal ein Extremfall aus meinem Bekanntenkreis:
      Da gabs eine Frau, die hatte so einen kleinen Handtaschenhund (ich glaub, es war ein Rehpinscher). Der durfte sogar von ihrem Löffel Eis essen (ja, beide haben den Löffel nacheinander benutzt....)
      Oder auch, dass Hunde an einem Tisch gesetzt wurden habe ich erlebt oder zumindest neben dem Stuhl gesessen sind und Essen bekommen haben.

      Das sind bestimmt Extremfälle, aber bei der Aquaristik sind es Sätze wie folgende, die mich abschrecken (und ich so wirklich schon gelesen habe):

      Der Fisch hat doch garkeinen Platz zum Spielen.
      Der hat doch garkeinen Spielkameraden (bei einem aggressiven Einzelgänger)
      Der braucht doch einen Partner (ebenfalls Einzelgänger)

      Oder auch die unpassenden Vergleiche zu uns Menschen:

      Du magst doch auch nicht in deiner Schei** schwimmen.
      Du möchtest doch auch nicht in einer 5m² Wohnung leben.
      Du möchtest auch nicht mit 30 anderen zusammen in einer Wohnung sitzen.

      Das sind Dinge, die man einfach nicht vergleichen kann und wo man mit zuviel Menschlichkeit an die Sache geht. Fische spielen nicht. Es mag zwar so aussehen, aber die Energie, die bei diesen "Spielen" verbraucht wird, erfüllt einen Zweck. (Ich denke hier gerade an Schmerlen, die ja gern alles absuchen, sich jagen usw., was man durchaus als Spielen bezeichnen mag, was aber einen anderen Grund hat.) Fische verplempern keine Energie, weil das in der Natur nicht vorgesehen ist.
      Vielleicht kann man es auch mit dem Spielen bei einer Katze vergleichen. auch das hat ja einen grösseren Sinn und dient nicht dafür, dass die Tiere ihre Freizeit irgendwie einteilen und verplempern.

      Gruss
      Sascha
    • HiHi zusammen

      Was meinen Eindruck verstärkt, sind nicht nur Saschas konkret-praktische Beispiele der Vermenschlichung von Tieren (Sascha, Hygiene hin oder her! Was ich genauso schlimm finde, ist, wenn Mütter aufs Taschentuch spucken und die Mäuler ihrer Kinder "naß" reinigen...).

      Was ich bemerkenswerter finde, ist der theoretisch-ideologische Überbau der Anthropomorphisierung:

      - Tendenzen, die Menschrechte auch auf Tiere auszuweiten, speziell Affen. Der bekannteste Vertreter hier dürfte Peter Singer sein, der australische Philosoph.

      - Tieren eine Seele (im christlichen Sinne) zuzusprechen, was dann in Tiergottesdienste in evangelischen Kirchen mündet. (Natürlich kriegt das Hündchen dazu auch Schleifchen ins frisch geföhnte Haar und ein schönes neues Sonntags-Gwand'.)

      - Der extremste Ausdruck eines protestantischen Schuldkomplexes findet sich wohl in der Ethik Albert Schweizers der "Ehrfurcht vor allem Leben". Schweizer sinnierte im Alterswerk darüber, ob es denn moralisch legitim sei, Milliarden von Bakterien abzutöten, nur um einen Impfstoff für einen einzigen Menschen zu gewinnen?

      Will nur sagen: der "Überbau" ist es...

      Grüße,
      Stefan
    • Duras schrieb:





      Der Fisch hat doch garkeinen Platz zum Spielen.
      Der hat doch garkeinen Spielkameraden (bei einem aggressiven Einzelgänger)
      Der braucht doch einen Partner (ebenfalls Einzelgänger)

      Oder auch die unpassenden Vergleiche zu uns Menschen:

      Du magst doch auch nicht in deiner Schei** schwimmen.
      Du möchtest doch auch nicht in einer 5m² Wohnung leben.
      Du möchtest auch nicht mit 30 anderen zusammen in einer Wohnung sitzen.





      Aber meint Ihr nicht, dass diese Vermenschlichungen eher von unwissenden Außenstehenden kommen? Solche Leute reden doch nur über Sachen, von denen sie keine Ahnung haben.



      Meine Hunde tragen im Winter alle Mäntel, vermenschliche ich sie deswegen? Der Eindruck entsteht ja durchaus.

      Nein, sie frieren! Sie haben ein Fell, was unefähr eine Schutzwirkung wie T-Shirt und kurze Hose hat. Also Mantel an.
      Liebe Grüße von BaBo
    • Hi,

      Frieren sie wirklich? Meine Mutter hat ihren Yorkshire Terriern auch immer Mäntel angezogen. Ich habe später eines der Tiere übernommen... ohne Mäntelchen. Der ist 17 Jahre alt geworden und hat im Schnee getobt und keinerlei Anzeichen mehr von Frieren gezeigt.
      Zuvor haben die Hunde von meiner Mutter auch immer gezittert, wenn es nach draussen ging. Die wollten auch nie lange draussen bleiben. Meiner wollt garnicht mehr rein, als er mal die Chance hatte, sich richtig auszutoben.

      Gruss
      Sascha
    • Huhu Sascha!

      Ja, die frieren wirklich! Kommt natürlich auf das Wetter an, trockene Kälte können die besser ab, als wenn es nass und windig ist. Wenn sie in Bewegung sind, geht es natürlich auch mal so. Da kommst Du jetzt und sagst, dass die Hunde nur mehr Bewegung brauchen, jaja, da können wir immer weiter ins Detail gehen!
      Genauso, wie Fisch nicht gleich Fisch ist, ist Hund nicht gleich Hund! :zwinker: Für Deine Kampffische muss man eben andere Maßstäbe ansetzen, wie für einen Rochen, oder einen Erdbeersalmler. Meine Windhunde sind nunmal anders, als ein Malinois, oder ein Yorkie!
      Liebe Grüße von BaBo