Angepinnt Interview mit Isabella Keim von Crazy Shrimps


    • Roland
    • 15033 Aufrufe 3 Antworten

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    • Interview mit Isabella Keim von Crazy Shrimps

      Hallo Forum,

      Isabella Keim von Crazy Shrimps hat sich unseren Fragen gestellt. Dafür möchte ich mich im Namen der gesamten Community recht herzlich bei ihr bedanken.



      Crazy Shrimps ist ein kleiner aber feiner Laden in meiner Gegend(nähe Passau). Ich durfte mir bereits persönlich einen Eindruck machen und habe dort auch bereits Garnelen gekauft.




      Hier eure Fragen:

      Sie beschäftigen sich ja besonders mit den Farbformen der Neocaridina davidi. Die farblose Nominatform der N. davidi ist "unsterblich", absolut hart im Nehmen. Wenn ich dagegen die Farbformen betrachte - etwa Blue dream oder Orange fire - dann erscheinen diese mir deutlich empfindlicher, beispielsweise was die Toleranz gegen höhere - also über 27 Grad liegende - Temperaturen angeht. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Farbformen so deutlich empfindlicher sind?
      Die Urgarnele ist robust und sehr vermehrungsfreudig, aus ihr wurden all die schönen farbigen Garnelen gezüchtet:
      Red Sakura, Yellow Fire, Blue dream, Blue Jelly, Orange fire, Green Jade etc.
      Es ist wie bei vielen (Haus)-tieren auch: die Zuchtformen sind wesentlich anspruchsvoller als die Urform ! Anfängergeeignet sind daher ganz normale Red Fire Garnelen, sie verzeihen viele Fehler und vermehren sich rasch.
      Wir hatten solche mal aus einem Überbesatz geschenkt bekommen. Sie waren fast durchsichtig. Diese Garnelen habe ich ab Mai in den Gartenteich gesetzt. Im Herbst kescherte ich davon viele raus. Es kamen viele tragende Weibchen zum Vorschein, wunderschön rot gefärbt dank Sonnenlicht waren sie nun ! Und Jungtiere ohne Ende konnte ich ebenso rausfangen. Red Fire halten auch große Temperaturschwankungen aus, was eine weiter unten gestellte Frage, ob es schon Populationen in deutschen Gewässern gibt, beantwortet.


      N. davidi: Für wie wichtig halten Sie Wasserwechsel bei dieser Art? Was empfehlen Sie da?
      Bei Neocaridinas empfehlen wir je nach Größe des Nanobeckens und je nach der Besatzdichte folgende Wasserwechsel zu betreiben:
      Mindestens 50% pro Woche, jedes 4te mal 90% (so dass die Garnelen gerade noch schwimmen können). Durch diese Vorgehensweise ist ohne überlegen zu müssen ausreichend Wasserwechsel betrieben worden. Alle 4 Wochen wird das Aquarium nun auf Status "Frischwasser" gesetzt, was den Garnelen sehr entgegenkommt. Die Tiere danken das mit einem langen gesunden Leben und viel Nachwuchs.
      Ein Effekt der noch zu bedenken ist, ist die Menge des Wassers. Größere Aquarien laufen stabiler und es dauert länger bis die bedrohliche Schadstoffgrenze erreicht wird. Faktisch kann der Zeitraum, bis die 90% fällig sind, bei größeren Aquarien gestreckt werden. Meine Angaben beziehen sich auf Aquarien bis zu 60 Liter. In einem 10 Liter Aquarium mit effektiv vielleicht 8 Litern Wasser würde ich jede Woche 90% wechseln.


      Was bedeutet für Sie: Sakura? Ab wann verdienen in Ihren Augen "Red fire" dieses "Ehren-Attribut"?
      Eine Sakura ist ein eigener Zuchtstamm, deren weibliche Garnelen bis in die Beinchen deckend rot gefärbt sind . Männchen bleiben öfters heller und sehen wie Red Fire aus. Man kann einen Red Fire Stamm gut auf schön gefärbte Tiere selektieren, es wird aber niemals ein Sakura Stamm daraus. Diese Erfahrung musste ich in den Anfängen meiner Garnelenzeit auch machen.



      Ernährung: Wie hoch setzen Sie den Anteil an tierischen Proteinen bei Ihren Zuchttieren an?
      Sehr hoch! Wir füttern sehr abwechslungsreich, es gibt 1 mal die Woche Proteinsticks, sowie 1-2 mal guten proteinreichen Garnelenpudding von GT. Link


      Viele Züchter, aber auch Garnelenhalter, schwören auf Geheimformeln: Tinkturen, Wasserzusätze, Nahrungsergänzungen, Farbintensivierer. (Gerne aus Asien importiert, mit Preisen auf der Höhe von Chanel No 5). Verraten Sie uns ihr Geheimnis: Wie sieht Ihre "Wunder-Apotheke" aus? Welche Mittel kommen bei Ihnen wofür zum praktischen Einsatz?
      Wir halten Neocaridinas in unserem chlorfreiem Fürstenzeller Leitungswasser. Auch haben wir im Haus keine Kupferrohre (Kupfer ist tödlich für Garnelen), deshalb kommt kein Wasseraufbereiter zum Einsatz. Sollten Chlor/Kupfer in eurem Wasser vorhanden sein, dann bitte einen guten Aufbereiter verwenden!
      Das Zauberpülverchen Nr. 1 ist bei uns Zeolith. Hochwertiges Premium Zeolith Pulver eignet sich besonders zur schnellen Wasseraufbereitung und Schadstoffentfernung aus Aquarien.
      Zeolith wirkt im Darm der wirbellosen Tiere entgiftend: Link
      Zauberpülverchen Nr.2 sind Tonmineralien: Link
      Nr.3, liegt in jedem Becken bei uns: Tourmalin Mineral Balls
      In jedem Becken kommen Seemandelbaumblätter, Eichenblätter, Walnussblätter, Guave, Bananenblattfragemente und Erlenzapfen zum Einsatz. Hier werden Huminstoffe etc. abgegeben. Die Garnelen finden auf den Blättern viele angesiedelte Mikroorganismen. Diese werden liebend gern abgeweidet.


      Bei welchen Garnelen-Arten und unter welchen Bedingungen ist der Einsatz von aktiven Soils sinnvoll?
      Man braucht Soil nur, um Becken für Weichwassergarnelen wie Bees oder Taiwaner einzurichten. Soil ist eine Art gebrannte Erde, in der Pflanzen prächtigst wachsen und die Jungtiere obiger Garnelen besser heranwachsen als auf Sandboden. Soil verwendet man in Kombi mit Osmosewasser, das dann wieder mit speziellem "Garnelensalz" remineralisiert wird. Soil senkt den PH Wert(manchmal leider zu weit), dann verschwinden die Jungtiere plötzlich wieder.
      Becken mit Soil sollten sehr lange einlaufen, da dieser die ersten Wochen sehr stark an ALLEN Werten zieht. Mit einem Leitwertmesser, und genauen Tropfentests können diese Werte überwacht werden. Soil ist nach ca. einem Jahr erschöpft und sollte erneuert werden. Für NEOCARIDINAS bitte keinen Soil verwenden, diese bevorzugen eher härteres Wasser mit höherem PH Wert !


      Haben Sie selber schon versucht verschiedene Garnelen-Arten zu kreuzen?
      Nein. Wir züchten überwiegend Neocaridinas. Jede Farbe hat sein eigenes Becken. Mixt man diese Farben in einem Becken zusammen, kommen nach ca. 1 Jahr nur noch farblose oder bräunliche Nachkommen, es kehrt quasi zur Urgarnele zurück. Kreuzen kann man Tigergarnelen mit Bienengarnelen und Taiwanern, dies ist aber nicht unser Ziel.


      Ich gönne neuen Garnelen immer eine sehr lange Eingewöhnungszeit. Ist es übertrieben wenn sich die Anpassung über mehrere Stunden hinzieht?
      Neocaridinas sind wie schon erwähnt relativ robust. Wir machen es so:
      Wenn die Garnelen ankommen, kommen alle erstmal mit dem Transportwasser , das wir auf Zimmertemperatur kommen lassen, in eine Schüssel . Gerade im Winter ist das sehr wichtig. Nicht nachhelfen und warmes Wasser dazugeben, das wäre tödlich ! Ich messe oft den Leitwert. Wenn er ähnlich dem unseren ist ( ich kenne den unserer Zulieferer ja ), gieße ich alle 15 Minuten einen Schluck von unserem Garnelenbecken dazu. Nach ca. 2 Stunden keschere ich die Garnelen raus und setze sie ein.


      Da die N. davidi Nominatform so robust und an gemäßigtes Klima angepasst ist, soll es ja bereits einige frei lebende Populationen in Deutschland geben. Haben Sie Informationen darüber, in welchem Rahmen sich das bewegt und wo die Garnelen bevorzugt vorkommen?
      Siehe erste Frage. Es gibt eine europäische Garnele, die in Kaltwasser vorkommt und sich dort vermehrt, Atyephyra demaresti


      Eine Gewissensfrage: Es gibt ja verschiedene Motivationen der Zucht oder Vermehrung: im Extremfall die "Konservativen" und die "Kreativen". Die einen versuchen, Arten zu erhalten, deren natürliches Habitat längst perdü ist, die "Kreativen" versuchen, immer neue "Arten" und Mischformen zu erzeugen, die es in der Natur so nie gab. Letztere Tendenz sehe ich gerade sehr stark bei Garnelen-Züchtern. Da gilt das artenübergreifende Herum-Mendeln als besondere "züchterische Tugend". Wie stehen Sie dazu, wenn Aquarianer versuchen, "Gott" oder "Evolution, interkontinental" zu spielen, neue Kreuzungen, Mischungen oder Hybriden unterschiedlicher Arten in die Aquaristik einzubringen?
      Das Züchten neuer Kreuzungen überlasse ich gerne Skyfish & Co., man benötigt dazu sehr viel Zeit, Geduld und vor allem auch viel Geld !
      Ich durfte Skyfish im Dezember in Wien auf dem Garnelenchampionat kennen lernen. Was diese Leute machen sind einfach ganz andere Dimensionen in der Garnelenzucht. Mit einfachen Neocaridinas geben sich solche Leute nicht mehr ab...
      Wir haben übrigens Blue Bolts aus seiner Linie von einem dt. Züchter ersteigern können und der erste Nachwuchs davon ist gerade eine Woche alt.


      Garnelenhalter legen oft ja Wert auf besonders farbige Tiere. Dafür wird im Handel "farbverstärkendes Futter" angeboten. Funktioniert das oder ist das ein Mythos?
      Wir kaufen nur sehr farbintensive Zuchtstämme , und selektieren diese immer weiter. Unser Zuchtziel sind top gefärbte, vor allem gesunde Garnelen aus garantiert parasitenfreien Becken.
      Farbintensive Garnelen bekommt man nicht durch farbverstärkendes Futter, sondern mit einem guten Zuchtstamm, den man immerwährend selektiert. Wir füttern Maulbeerbaumblätter, Maulbeersticks, Pakrikasticks zur Farbverstärkung.


      Sie haben ja auch Bienengarnelen im Angebot: Züchten Sie die selbst?
      Wir züchten einen kleinen Teil unserer Bees selber, der Rest wird von einem Händler, dessen Anlage wir kennen, zugekauft. Von den Bees und Taiwanern bekommen wir immer noch nicht so viel Nachwuchs hoch, wie wir gerne hätten.
      Neu kommen nun deshalb bei uns demnächst PH Safe Granulat und KH+ zum Einsatz.


      Bei welchen Wasserwerten züchten / halten Sie die Bienen? Und wie gehen Sie ggf. vor, dieses Wasser zu erzeugen?
      Wir holen für insgesamt 4 Becken gutes, weiches Quellwasser aus der Nähe und bereiten dieses mit flüssigem Mineralsalz von GT auf. Eine Osmoseanlage ist daher für uns unnötig. Man könnte auch mit destiliertem Wasser arbeiten.
      Jedes Wasser für Bees etc. wird auf Leitwert 250-300 "aufgesalzen". PH Wert 6-6,5. Mehr messe ich nicht.
      Sehr gut lassen sich auch Tigergarnelen in 75% Leitungswasser mit 25% Quellwasser verschnitten halten. Durch ein Spülen mit Chlor im letztem Jahr ( ohne unser Wissen) starben leider alle blauen Tigergarnelen orange eyes.
      Ein neuer Zuchtstamm wird heuer noch gesucht und darf einziehen.


      Nach meiner Erfahrung, gewinnt die Farbigkeit von Garnelen, wenn man sie nicht in einem reinen Artenbecken, sondern in Gemeinschaft mit kleinen Welsen oder Mini-Salmlern hält. Gibt es dafür eine Erklärung?
      Ich hatte schon Red Rilis mit kleinen Welsen in 60 Litern, aber konnte da keine Veränderung feststellen. Es hängt ja auch viel vom Bodengrund ab. Dieser sollte bei Garnelen immer dunkel sein damit die Tiere ihre ganze Farbpracht entfalten können. Nur Blue dreams und Blaue Tiger wirken besser auf hellem Sand.


      Eine hypothetische Frage: Wenn Sie nur ein einziges 60-Liter-Becken hätten, welche Garnelenart würden Sie darin halten?
      Eine sehr einfache Frage für mich: In einem einzigen 60 Liter Becken würde ich meine heiß geliebten Kardinalsgarnelen halten, gerne auch mit anderen Sulawesigarnelen gemixt !!




      Frau Keim, ich bedanke mich für die Beantwortung unserer Fragen
      Sehr gerne! Weitere Fragen beantworte ich gerne in Facebook oder per Email unter info@crazy-shrimps.de
    • Herzlichen Dank, Isabella Keim, für das interessante Interview. Hat mir gut gefallen!

      Gegrinzt habe ich beim empfohlenen Pudding! Das könnte ja eine Anregung sein! Ob ich meinen Krabblern auch mal so ne Pampe koche? So in diese Richtung: Spirulina-Pulver, Brennnesselmehl, Paprika-Pulver, Tubifex-Mehl. Vielleicht noch dekapsulierte Artemia-Eier? Außenrum zum Eindicken dann Gelatine. Ernährungsphysiologisch dürfte dieser Mix ja ganz gut klappen.

      Nur: Produziere ich da eine wasserbelastende Phophat-Bombe?

      UND: Wie kann man ohne Einsatz antibiotischer/antifungizider Zusätze die Pampe am Verschimmeln und Verfaulen hindern? (Eigentlich gar nicht.) Irgendwas in der Richtung müssen ja auch die Hersteller des Fertig-Puddings tun. Sonst kämen sie ja nicht auf die versprochene Haltbarkeitsdauer eines Jahres. Hat jemand eine Idee?

      Turmalin im Becken? Das ist mir zu esoterisch! Nun gut, wer an "aktivierte vitalisiert-schwingende Wässer" glauben möchte. (Unsere esoterische Gisela wird mich bestimmt gleich belehren, dass bereits Hildegard von Bingen auf Edelstein-Aufgüsse schwörte...)

      Aber jenseits der Fragen des Voodoo: Ich kenne die Steine von Isabella Keim natürlich nicht, will mir deshalb auch kein Urteil anmaßen. Allgemein gesprochen aber wäre ich beim Einsatz von Halbedelsteinen auf Dauer unter Wasser skeptisch.

      Ein Problem könnte dadurch entstehen, dass Edel- oder Halbedelsteine für den Handel oftmals „stabilisiert“ sind, d.h. durch Harze oder Kunststoffe behandelt wurden, um ihre Oberflächen zu glätten, kleine Gefügerisse auszugleichen oder sie am Auseinanderfallen zu hindern. Andere "Halbedelsteine" bestehen nur aus entsprechendem Gesteinsmehl, die dann mit Bindemitteln vermengt in die Form gebracht werden. Kugel, Kegel, Zylinder. Über diese Imprägnier-Substanzen kann man dann nur wenig sagen, man kennt sie halt nicht. Es macht in meinen Augen nur keinen guten Sinn, solche Substanzen überhaupt in ein Aquarium zu werfen.

      Just my 5 Cents,
      Stefan