Wir freuen uns, dass wir Thomas Baumeister alias Aqua Tom für ein Interview gewinnen konnten.
Mit euren Fragen habt ihr ebenfalls dazu beigetragen.
Daher geht unser Dank in alle Richtungen:
Aqua Tom für die prompte Beantwortung der Fragen und euch User für das Stellen ebendieser.
Hier also nun das Interview. Have fun!
Sie haben die klassischen Kellerregale, in denen die schönsten Garnelenarten bislang weitgehend unentdeckt von der Außenwelt ihr Leben
fristen mussten, wohnzimmertauglich gemacht: Mit dem in das Kallax Regal passgenau eingebaute Becken. Aber eigentlich waren es doch große und ungewöhnliche Becken, die Sie gebaut haben. Warum der Schwenk in diese Richtung? Oder geht beides gleichzeitig?
Das ist so nicht ganz richtig. Es hat im Grunde 2016 mit den Aquarien für das Kallax Regal angefangen, da ich nicht verstanden habe,
warum man mit Aquarien von diversen Herstellern arbeitet, die zur Decke hin keinen Platz haben, aber um das Aqua selber viel Platz verschenkt wurde. Aus diesem Grund habe ich dann das Aqua für Kallax angefangen, zu entwickeln. Große Becken habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebaut. Das kam später dann dazu. Ab 2018 habe ich dann das Aqua System für Kallax so weit gehabt, wie es auf meiner Webseite aufgeführt ist.
Heute bauen wir allerdings jede Art von Becken, mit und ohne Unterschrank, Technik etc. Das fängt bei Foto Becken an und hört bei
xxxl Aquarien auf.
Diese Becken, die Sie in die Ikea-Würfel einbauen, sind ja kleine Nano-Pfützchen, gedacht vor allem für die Garnelen-Haltung. Was bauen
Sie da so alles an Technik rein? Ich mag so kleine Becken gerne, aber bei mir laufen die – weitgehend – technik-frei. Wie stehen Sie zu
technik-freien Becken?
Wenn der Kunde sich für ein Becken mit Technik entscheidet, hat er die Wahl bei der Filtertechnik. Hier biete ich die HMF Technik mit
Luftheber oder alternativ mit einem Pat Mini an. In der Regel entscheidet sich der Kunde aber für das Luftheber Prinzip. Eine Heizung
wird in der Regel nicht benutzt, da hier in erster Linie Neocaridina und Caridina Arten gepflegt werden. Anders sieht es natürlich bei
Kampffischen und Garnelen aus Sulawesi aus. Technikfreie Becken kann man machen, aber man braucht meines Erachtens dafür schon etwas Erfahrung, aber wie gesagt, es kommt letztendlich auf den Besatz an.
Zu Ihrer Garnelenzucht:
Viele Züchter, aber auch Garnelenhalter, schwören auf Geheimformeln: Tinkturen, Wasserzusätze, Nahrungsergänzungen, Farbintensivierer, Soils (Gerne aus Asien importiert, mit Preisen auf der Höhe von Chanel No 5). Verraten Sie uns ihr Geheimnis: Wie sieht Ihre "Wunder-Apotheke" für Garnelen aus? Welche Mittel kommen bei Ihnen wofür zum praktischen Einsatz?
Aktuell habe ich nicht mehr viele Garnelen und "Wundermittel" hatte ich noch nie und gibt es für mich auch nicht. Da ich mich mit Wildformen beschäftige und auch schon eine Versuchsreihe durchgeführt habe, kann ich immer wieder nur sagen, schaut euch an, was den Tieren in der Natur zur Verfügung steht, dann kommt man relativ schnell zu dem Schluss, dass es eigentlich nicht viel braucht, um Garnelen zu halten.
Blätter, tierische Proteine z.b. über Schnecken und Detritus sind die Hauptbestandteile der Ernährung. Etwas anders sieht es bei der Zucht und den daraus resultierenden Mengen an Tieren ( Jungtiere ) in den kleinen Aquarien aus. Hier ist der Biofilm schnell weggefressen und wenn man das nicht durch spezielle Präparate unterstützt, wird das mit einer„Massenvermehrung“ nicht klappen.
Wir alle kennen Ihre Arbeit „2.500 Liter Kinderklinikbecken“, über dessen Hochs und Tiefs Corinna ja seit Jahren kontinuierlich berichtet. Es gibt die Aquarianer-Weisheit,
„je größer das Becken, desto leichter und besser läuft es“. Stimmt das wirklich?
Im Grunde stimmt das schon, siehe Gartenteich. Eine Pütze aus dem Baumarkt wird nie so stabil laufen wie große Teiche. Letztendlich ist aber alles abhängig von der Menge der Lebewesen und der Bepflanzung, das sogenannte biologische Gleichgewicht muss stimmen, was wir im Aquarium durch Filtertechnik etc. unterstützen können.
Zur Politik?
Immer wieder hört man die Forderung nach einem „Führerschein“ - so etwas wie ein Sachkundenachweis - für das Halten von exotischen Tieren. Das beträfe dann auch einen Großteil unserer Fische.
Am Weitesten geht Bundesminister Cem Özdemir, der sogar eine Positiv-Liste durchsetzen möchte. Das heißt: Nur noch Spezies, die auf dieser Liste explizit aufgeführt sind, dürfen dann überhaupt noch gehandelt und gehalten werden. Wie stehen Sie zu solchen Forderungen? Macht sowas Sinn? Oder sind solche Restriktionen eher kontraproduktiv und schädlich?
Persönlich finde ich das übertrieben, was Herr Özdemir da vorschlägt. Allerdings gibt es durchaus Tierarten, die nicht in einen privaten Haushalt gehören. Ein Sachkundenachweis kann helfen.
Was mich immer an solchen Vorschlägen und Diskussionen stört ist, dass bei einer industriellen Haltung das Tierwohl im Vergleich zur Hobby (privaten) Haltung, sehr weit entfernt vom Tierschutz ist. Hier müsste der Finger sehr tief in die Wunde gelegt werden. Das gilt aber auch für allgemeinere Verbote, die z.B. die EU erlässt, s. Apfelschnecken der Pomacea Art. Oder ganz aktuell, dass jeder der den Wels L46 (Zebraharnischwels) in seinem Bestand hat, diese meldet.
Diese Art ist in Brasilien stark bedroht, nicht weil Aquarianer diese Tiere eventuell als Wildfänge bekommen könnten, das liegt einzig
und alleine daran, dass dort der Staudamm gebaut wurde und den Tieren somit sprichwörtlich das Wasser abgegraben wurde, was unweigerlich zum Aussterben führen wird. Es ist eben nicht so einfach, hier und da Verbote auszusprechen, ohne den Hintergrund zu kennen. Das sollte meines Erachtens nach nur in Verbindung mit echten Fachleuten erarbeitet werden. Ohne Hobbyzüchter und Zoologische Gärten wären bereits viel mehr Tiere aus ihren natürlichen Habitaten verschwunden. Zur Wahrheit gehört aber auch,
dass es wie überall auch „schwarze Schafe“ gibt, die solche Reaktionen noch beflügeln. Dazu kommen auch solche Vereine wie PETA, die für mich ganz klar neben der Spur sind.
Aquaristik – zumindest: Süßwasser – war ja im Allgemeinen mal ein recht günstiges Hobby. Gemessen an Bordeauxweintrinken oder dreimastigen Segel-Yachten. Mittlerweile aber sind Wasser- und Energie-Preise mächtig gestiegen. Merken Sie das im Aquarien-Handel?
Werden die Aquarianer zurückhaltender angesichts der steigenden Folgekosten?
Steigende Energie und Rohstoffpreise treffen uns alle und machen auch vor der Aquaristik nicht halt. Allerdings sehe ich das etwas differenzierter. Natürlich kommt es immer auf mein Einkommen an, ob ich mir etwas leisten kann oder nicht. Ein Beispiel, jemand der ein großes Aquarium mit Diskusfischen betreibt hat einen viel höheren Energiebedarf, als jemand, der die gleiche Aquarien-Größe mit Tieren unterhält, die bei Zimmertemperatur gepflegt werden können. Auch bei der Bepflanzung kann ich Energie einsparen, es gibt Pflanzen die sehr viel Licht benötigen, es gibt aber auch Pflanzen, die wenig Licht brauchen. Aktuell habe ich ein Aquarium in der Größe 150x60x50cm in der Lobby wo ich mein Lager habe, aufgebaut. Fische und Pflanzen so gewählt, das ein maximaler Energieaufwand von 44W bei voller Leistung nötig ist.
Mein Fazit lautet, ich muss Aquaristik nicht aufgeben, man kann auch umstellen. Wer große Anlagen betreibt, hat es da sicher schwerer,
allerdings findet in der Regel dort auch ein Verkauf statt, was wiederum gewisse Ausgaben auffängt.
Man liest/hört von vielen Neu-Aquarianern, dass diese laut Empfehlung des Zooladens einen Depotmix Bodengrund benutzen.
Wie stehen Sie zu diesem Depotmix Bodengrund, ist dieser sinnvoll oder lediglich "Geldmacherei"?
Ich finde den unnötig, eine kontrollierte Zugabe von Dünger macht für mich mehr Sinn.
Ist ein Aquarium, das 5 Jahre im leeren Zustand im Keller stand, was das Silikon angeht, bei der nächsten Befüllung noch sicher?
Das kann man nicht so ohne Weiteres sagen: Prüfen, ob das Silikon spröde geworden ist und an einem sicheren Ort befüllen.
Es kommt auch auf die Verarbeitung drauf an. Ich hab ein Aquarium im Betrieb, das 40 Jahre alt ist, auch Jahre im Garten stand. Es hat zwar noch den Stahlrahmen, der aber nichts über die Qualität des Silikons aussagt.
Wie lange kann eine Silikonnaht eines Aquariums maximal halten?
Oder anders gefragt, wann sollte man sich als Aquarianer Gedanken darüber machen ein neues Aquarium anzuschaffen?
Allgemein heißt es, alle 10-15 Jahre, aber auch hier kann man das so pauschal nicht sagen. Die Qualität der Verarbeitung ist entscheidend.
Eine Überprüfung in diesem Zeitraum ist sicher nicht von Nachteil.
Ab welcher Länge ist die Bodenscheibe zu teilen? 150 oder 200cm?
Im Grunde nicht nötig, aber irgendwann werden die Platten zu groß und zu schwer, dann teilt man das.
Wie stehen Sie zu Plastik/Kunststoffdeko (Steine-Holzwurzeln-Höhlen-Figuren etc.) im Aquarium?
Sind diese Teile gesundheitsschädigend für die Beckenbewohner (Fische-Garnelen-Schnecken)?
Kunststoff im Aquarium kann man machen, solange das Material unbedenklich ist. Persönlich finde ich das nicht passend, den Fischen
ist das sicher von der Optik her egal. Wie bei Wracks im Meer, die Tiere besiedeln diesen Raum höchstens.
Mal eine echt randständige Frage:
Sie hatten auch die Rotalge Thorea hispida in einem Ihrer Becken.
Auch ich bekam mal eine geschenkt, aber ich konnte diese tolle Rotalge auf Dauer leider nicht halten. Sie zerfiel einfach. Hatten Sie mehr Glück? Haben Sie sie durchgebracht?
Ich habe nach wie vor die Thorea hispida im Aquarium.
Warum das so ist, dass die sich bei mir so gut hält, kann ich nicht abschließend sagen, nur so viel, ich habe relativ viel Licht auf dem Becken, nur ein paar Fische und Garnelen, alle 2 Wochen mal etwas Wasserwechsel, selten eine Zugabe von einem Basic Dünger und die Alge hält sich. Es wächst aber auch HCC (Hemianthus callitrichoides „cuba") bei mir ohne Ende, ganz ohne CO². Der Nährstoffgehalt muss in diesem Becken relativ hoch sein, obwohl ich nicht weiß, wodurch.
In welche Richtung bewegt sich die Aquaristik, Ihrer Meinung nach in der letzten Zeit?
Ist der Trend gleich geblieben, zeigt er nach oben, oder gar nach unten?
Bis Ende 2022 ganz klar nach unten, da hier überall gebrauchte Aquarien angeboten wurden. Das hat sicher mit den gestiegenen und noch nicht wirklich planbaren Energiekosten zu tun gehabt.
Seit Anfang des Jahres scheint sich das aber wieder etwas zu beruhigen. Dazu kommen ja noch mögliche Verbote oder Vorschriften, was auch noch nicht absehbar ist.
Auch die Materialkosten sind durch Pandemie und Ukraine Krieg stark gestiegen, was letztendlich vom Kunden ja bezahlt werden muss. Hier kommen wir langsam an Grenzen. Sicher, es wird immer Menschen geben, die nach wie vor alles bezahlen können und wollen, aber es wird in der breiten Masse schwerer werden. Mal sehen, wie sich 2023 entwickelt
Sie waren auch schon in die für die Aquaristik wichtige Regionen dieser Welt unterwegs. Wo war es am Schönsten, wo am Beeindruckendsten?
Sehen Sie unser Hobby seitdem mit anderen Augen?
Leider war ich erst einmal wirklich in der Welt für die Aquaristik unterwegs, das war im Februar 2022 in Kolumbien im Dschungel um Inirida und am Rio Claro mit JBL.
Man kann sowas kaum in Worte fassen. Wer die Möglichkeit bekommt, sollte dies unbedingt mal machen. Es ist das Highlight meines Aquarianer Daseins. Die Erkenntnisse, die man in den Habitaten unserer Tiere bekommt, geben echt zu denken, was Haltung und Ernährung anbelangt.
Ich kann da jedem nur empfehlen, mal bei JBL Expeditionen nachzuschauen. jbl.de/de/expeditionen?country=de
Verschiedene Veröffentlichungen von mir aquatom-krefeld.de/artikel-ver%C3%B6ffentlichungen-ect/
Dann bin ich gerade dabei, 2 Regional Gruppen in NRW zu gründen
Für Wirbellose facebook.com/profile.php?id=100090379283541
Lieber Herr Baumeister, vielen Dank für das Interview!
Mit euren Fragen habt ihr ebenfalls dazu beigetragen.
Daher geht unser Dank in alle Richtungen:
Aqua Tom für die prompte Beantwortung der Fragen und euch User für das Stellen ebendieser.
Hier also nun das Interview. Have fun!
Sie haben die klassischen Kellerregale, in denen die schönsten Garnelenarten bislang weitgehend unentdeckt von der Außenwelt ihr Leben
fristen mussten, wohnzimmertauglich gemacht: Mit dem in das Kallax Regal passgenau eingebaute Becken. Aber eigentlich waren es doch große und ungewöhnliche Becken, die Sie gebaut haben. Warum der Schwenk in diese Richtung? Oder geht beides gleichzeitig?
Das ist so nicht ganz richtig. Es hat im Grunde 2016 mit den Aquarien für das Kallax Regal angefangen, da ich nicht verstanden habe,
warum man mit Aquarien von diversen Herstellern arbeitet, die zur Decke hin keinen Platz haben, aber um das Aqua selber viel Platz verschenkt wurde. Aus diesem Grund habe ich dann das Aqua für Kallax angefangen, zu entwickeln. Große Becken habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebaut. Das kam später dann dazu. Ab 2018 habe ich dann das Aqua System für Kallax so weit gehabt, wie es auf meiner Webseite aufgeführt ist.
Heute bauen wir allerdings jede Art von Becken, mit und ohne Unterschrank, Technik etc. Das fängt bei Foto Becken an und hört bei
xxxl Aquarien auf.
Diese Becken, die Sie in die Ikea-Würfel einbauen, sind ja kleine Nano-Pfützchen, gedacht vor allem für die Garnelen-Haltung. Was bauen
Sie da so alles an Technik rein? Ich mag so kleine Becken gerne, aber bei mir laufen die – weitgehend – technik-frei. Wie stehen Sie zu
technik-freien Becken?
Wenn der Kunde sich für ein Becken mit Technik entscheidet, hat er die Wahl bei der Filtertechnik. Hier biete ich die HMF Technik mit
Luftheber oder alternativ mit einem Pat Mini an. In der Regel entscheidet sich der Kunde aber für das Luftheber Prinzip. Eine Heizung
wird in der Regel nicht benutzt, da hier in erster Linie Neocaridina und Caridina Arten gepflegt werden. Anders sieht es natürlich bei
Kampffischen und Garnelen aus Sulawesi aus. Technikfreie Becken kann man machen, aber man braucht meines Erachtens dafür schon etwas Erfahrung, aber wie gesagt, es kommt letztendlich auf den Besatz an.
Zu Ihrer Garnelenzucht:
Viele Züchter, aber auch Garnelenhalter, schwören auf Geheimformeln: Tinkturen, Wasserzusätze, Nahrungsergänzungen, Farbintensivierer, Soils (Gerne aus Asien importiert, mit Preisen auf der Höhe von Chanel No 5). Verraten Sie uns ihr Geheimnis: Wie sieht Ihre "Wunder-Apotheke" für Garnelen aus? Welche Mittel kommen bei Ihnen wofür zum praktischen Einsatz?
Aktuell habe ich nicht mehr viele Garnelen und "Wundermittel" hatte ich noch nie und gibt es für mich auch nicht. Da ich mich mit Wildformen beschäftige und auch schon eine Versuchsreihe durchgeführt habe, kann ich immer wieder nur sagen, schaut euch an, was den Tieren in der Natur zur Verfügung steht, dann kommt man relativ schnell zu dem Schluss, dass es eigentlich nicht viel braucht, um Garnelen zu halten.
Blätter, tierische Proteine z.b. über Schnecken und Detritus sind die Hauptbestandteile der Ernährung. Etwas anders sieht es bei der Zucht und den daraus resultierenden Mengen an Tieren ( Jungtiere ) in den kleinen Aquarien aus. Hier ist der Biofilm schnell weggefressen und wenn man das nicht durch spezielle Präparate unterstützt, wird das mit einer„Massenvermehrung“ nicht klappen.
Wir alle kennen Ihre Arbeit „2.500 Liter Kinderklinikbecken“, über dessen Hochs und Tiefs Corinna ja seit Jahren kontinuierlich berichtet. Es gibt die Aquarianer-Weisheit,
„je größer das Becken, desto leichter und besser läuft es“. Stimmt das wirklich?
Im Grunde stimmt das schon, siehe Gartenteich. Eine Pütze aus dem Baumarkt wird nie so stabil laufen wie große Teiche. Letztendlich ist aber alles abhängig von der Menge der Lebewesen und der Bepflanzung, das sogenannte biologische Gleichgewicht muss stimmen, was wir im Aquarium durch Filtertechnik etc. unterstützen können.
Zur Politik?
Immer wieder hört man die Forderung nach einem „Führerschein“ - so etwas wie ein Sachkundenachweis - für das Halten von exotischen Tieren. Das beträfe dann auch einen Großteil unserer Fische.
Am Weitesten geht Bundesminister Cem Özdemir, der sogar eine Positiv-Liste durchsetzen möchte. Das heißt: Nur noch Spezies, die auf dieser Liste explizit aufgeführt sind, dürfen dann überhaupt noch gehandelt und gehalten werden. Wie stehen Sie zu solchen Forderungen? Macht sowas Sinn? Oder sind solche Restriktionen eher kontraproduktiv und schädlich?
Persönlich finde ich das übertrieben, was Herr Özdemir da vorschlägt. Allerdings gibt es durchaus Tierarten, die nicht in einen privaten Haushalt gehören. Ein Sachkundenachweis kann helfen.
Was mich immer an solchen Vorschlägen und Diskussionen stört ist, dass bei einer industriellen Haltung das Tierwohl im Vergleich zur Hobby (privaten) Haltung, sehr weit entfernt vom Tierschutz ist. Hier müsste der Finger sehr tief in die Wunde gelegt werden. Das gilt aber auch für allgemeinere Verbote, die z.B. die EU erlässt, s. Apfelschnecken der Pomacea Art. Oder ganz aktuell, dass jeder der den Wels L46 (Zebraharnischwels) in seinem Bestand hat, diese meldet.
Diese Art ist in Brasilien stark bedroht, nicht weil Aquarianer diese Tiere eventuell als Wildfänge bekommen könnten, das liegt einzig
und alleine daran, dass dort der Staudamm gebaut wurde und den Tieren somit sprichwörtlich das Wasser abgegraben wurde, was unweigerlich zum Aussterben führen wird. Es ist eben nicht so einfach, hier und da Verbote auszusprechen, ohne den Hintergrund zu kennen. Das sollte meines Erachtens nach nur in Verbindung mit echten Fachleuten erarbeitet werden. Ohne Hobbyzüchter und Zoologische Gärten wären bereits viel mehr Tiere aus ihren natürlichen Habitaten verschwunden. Zur Wahrheit gehört aber auch,
dass es wie überall auch „schwarze Schafe“ gibt, die solche Reaktionen noch beflügeln. Dazu kommen auch solche Vereine wie PETA, die für mich ganz klar neben der Spur sind.
Aquaristik – zumindest: Süßwasser – war ja im Allgemeinen mal ein recht günstiges Hobby. Gemessen an Bordeauxweintrinken oder dreimastigen Segel-Yachten. Mittlerweile aber sind Wasser- und Energie-Preise mächtig gestiegen. Merken Sie das im Aquarien-Handel?
Werden die Aquarianer zurückhaltender angesichts der steigenden Folgekosten?
Steigende Energie und Rohstoffpreise treffen uns alle und machen auch vor der Aquaristik nicht halt. Allerdings sehe ich das etwas differenzierter. Natürlich kommt es immer auf mein Einkommen an, ob ich mir etwas leisten kann oder nicht. Ein Beispiel, jemand der ein großes Aquarium mit Diskusfischen betreibt hat einen viel höheren Energiebedarf, als jemand, der die gleiche Aquarien-Größe mit Tieren unterhält, die bei Zimmertemperatur gepflegt werden können. Auch bei der Bepflanzung kann ich Energie einsparen, es gibt Pflanzen die sehr viel Licht benötigen, es gibt aber auch Pflanzen, die wenig Licht brauchen. Aktuell habe ich ein Aquarium in der Größe 150x60x50cm in der Lobby wo ich mein Lager habe, aufgebaut. Fische und Pflanzen so gewählt, das ein maximaler Energieaufwand von 44W bei voller Leistung nötig ist.
Mein Fazit lautet, ich muss Aquaristik nicht aufgeben, man kann auch umstellen. Wer große Anlagen betreibt, hat es da sicher schwerer,
allerdings findet in der Regel dort auch ein Verkauf statt, was wiederum gewisse Ausgaben auffängt.
Man liest/hört von vielen Neu-Aquarianern, dass diese laut Empfehlung des Zooladens einen Depotmix Bodengrund benutzen.
Wie stehen Sie zu diesem Depotmix Bodengrund, ist dieser sinnvoll oder lediglich "Geldmacherei"?
Ich finde den unnötig, eine kontrollierte Zugabe von Dünger macht für mich mehr Sinn.
Ist ein Aquarium, das 5 Jahre im leeren Zustand im Keller stand, was das Silikon angeht, bei der nächsten Befüllung noch sicher?
Das kann man nicht so ohne Weiteres sagen: Prüfen, ob das Silikon spröde geworden ist und an einem sicheren Ort befüllen.
Es kommt auch auf die Verarbeitung drauf an. Ich hab ein Aquarium im Betrieb, das 40 Jahre alt ist, auch Jahre im Garten stand. Es hat zwar noch den Stahlrahmen, der aber nichts über die Qualität des Silikons aussagt.
Wie lange kann eine Silikonnaht eines Aquariums maximal halten?
Oder anders gefragt, wann sollte man sich als Aquarianer Gedanken darüber machen ein neues Aquarium anzuschaffen?
Allgemein heißt es, alle 10-15 Jahre, aber auch hier kann man das so pauschal nicht sagen. Die Qualität der Verarbeitung ist entscheidend.
Eine Überprüfung in diesem Zeitraum ist sicher nicht von Nachteil.
Ab welcher Länge ist die Bodenscheibe zu teilen? 150 oder 200cm?
Im Grunde nicht nötig, aber irgendwann werden die Platten zu groß und zu schwer, dann teilt man das.
Wie stehen Sie zu Plastik/Kunststoffdeko (Steine-Holzwurzeln-Höhlen-Figuren etc.) im Aquarium?
Sind diese Teile gesundheitsschädigend für die Beckenbewohner (Fische-Garnelen-Schnecken)?
Kunststoff im Aquarium kann man machen, solange das Material unbedenklich ist. Persönlich finde ich das nicht passend, den Fischen
ist das sicher von der Optik her egal. Wie bei Wracks im Meer, die Tiere besiedeln diesen Raum höchstens.
Mal eine echt randständige Frage:
Sie hatten auch die Rotalge Thorea hispida in einem Ihrer Becken.
Auch ich bekam mal eine geschenkt, aber ich konnte diese tolle Rotalge auf Dauer leider nicht halten. Sie zerfiel einfach. Hatten Sie mehr Glück? Haben Sie sie durchgebracht?
Ich habe nach wie vor die Thorea hispida im Aquarium.
Warum das so ist, dass die sich bei mir so gut hält, kann ich nicht abschließend sagen, nur so viel, ich habe relativ viel Licht auf dem Becken, nur ein paar Fische und Garnelen, alle 2 Wochen mal etwas Wasserwechsel, selten eine Zugabe von einem Basic Dünger und die Alge hält sich. Es wächst aber auch HCC (Hemianthus callitrichoides „cuba") bei mir ohne Ende, ganz ohne CO². Der Nährstoffgehalt muss in diesem Becken relativ hoch sein, obwohl ich nicht weiß, wodurch.
In welche Richtung bewegt sich die Aquaristik, Ihrer Meinung nach in der letzten Zeit?
Ist der Trend gleich geblieben, zeigt er nach oben, oder gar nach unten?
Bis Ende 2022 ganz klar nach unten, da hier überall gebrauchte Aquarien angeboten wurden. Das hat sicher mit den gestiegenen und noch nicht wirklich planbaren Energiekosten zu tun gehabt.
Seit Anfang des Jahres scheint sich das aber wieder etwas zu beruhigen. Dazu kommen ja noch mögliche Verbote oder Vorschriften, was auch noch nicht absehbar ist.
Auch die Materialkosten sind durch Pandemie und Ukraine Krieg stark gestiegen, was letztendlich vom Kunden ja bezahlt werden muss. Hier kommen wir langsam an Grenzen. Sicher, es wird immer Menschen geben, die nach wie vor alles bezahlen können und wollen, aber es wird in der breiten Masse schwerer werden. Mal sehen, wie sich 2023 entwickelt
Sie waren auch schon in die für die Aquaristik wichtige Regionen dieser Welt unterwegs. Wo war es am Schönsten, wo am Beeindruckendsten?
Sehen Sie unser Hobby seitdem mit anderen Augen?
Leider war ich erst einmal wirklich in der Welt für die Aquaristik unterwegs, das war im Februar 2022 in Kolumbien im Dschungel um Inirida und am Rio Claro mit JBL.
Man kann sowas kaum in Worte fassen. Wer die Möglichkeit bekommt, sollte dies unbedingt mal machen. Es ist das Highlight meines Aquarianer Daseins. Die Erkenntnisse, die man in den Habitaten unserer Tiere bekommt, geben echt zu denken, was Haltung und Ernährung anbelangt.
Ich kann da jedem nur empfehlen, mal bei JBL Expeditionen nachzuschauen. jbl.de/de/expeditionen?country=de
Verschiedene Veröffentlichungen von mir aquatom-krefeld.de/artikel-ver%C3%B6ffentlichungen-ect/
Dann bin ich gerade dabei, 2 Regional Gruppen in NRW zu gründen
Für Wirbellose facebook.com/profile.php?id=100090379283541
- Treffen am 15.04.2023 ab 18 Uhr
- Treffen am 01.04.2023 bei Hobbyzoo Neudorf von 14 – 17 Uhr
Lieber Herr Baumeister, vielen Dank für das Interview!
Viele Grüße, Corinna
Glück ist, wenn du gesund bist und wenn die, die du liebst, auch gesund sind.
Glück ist, wenn du gesund bist und wenn die, die du liebst, auch gesund sind.