Angepinnt Interview Harro Hieronimus


  • SaschaK.
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  • Interview Harro Hieronimus

    Hallo Herr Hieronimus!

    Können sie uns einige Angaben zu Ihrer Person geben und uns einmal erzählen, wie sie zur Aquaristik und ihren Fachgebieten gekommen sind?

    Antwort HH: Wie viele Aquarianer bin ich als Kind von elf zur Aquaristik gekommen und habe es dann als Jugendlicher wegen anderer Interessen aufgegeben. Dann habe ich 1981 während des Studiums wieder angefangen und hatte schon 1982 etwa 20 Aquarien. Heute habe ich dafür einen größeren Kellerraum. Seit 1985 veröffentliche ich auch über Fische, inzwischen sind es etwa zehn Bücher und hunderte von Artikeln. Ich leite die Internationale Gesellschaft für Regenbogenfische e.V. seit 1986 und die Deutsche Gesellschaft für Lebendgebärende Zahnkarpfen e.V. DGLZ seit 1991. Seit 2000 bin ich Chefredakteur der Zeitschrift Gartenteich.

    Vielleicht können sie uns ein paar Tipps mit auf dem Weg geben wie man die von Ihrem Fachgebiet gepflegten Fische "optimal" hält?
    HH: Das würde den Rahmen hier sicher sprengen, denn dazu habe ich ja mehrere Bücher geschrieben. So allgemein kann man das nicht beantworten.

    Hier noch ein paar spezielle Fragen einzelner User zu Ihren Fachgebieten:

    Regenbogenfische:
    Ich habe zur Vergrößerung meiner Gruppe Melanotaenia praecox bereits zweimal Eier entnommen und einige Jungfische aufgezogen. Beide Male waren viele Jungfische ohne Pupillen oder sehr kleinen Pupillen dabei. Von diesen überlebten zum Glück nur einer ohne Pupillen und einer, der auf einer Seite eine sehr kleine Pupille hat.
    Kommen solche Missbildungen bei Regenbogenfischen öfter vor?
    Ich werde nun meine Fische nicht mehr vermehren. Habe ich denn Chancen, gesunde Jungfische zu bekommen, wenn ich mir einige neue Melanotaenia praecox kaufe?
    Stammen denn nicht alle Melanotaenia praecox, die es in der gleichen Gegend zu erwerben gibt, letztendlich von den gleichen Vorfahren ab?

    HH: Tatsächlich stammen alle M. praecox von einigen wenigen importierten Exemplaren ab. Tatsächlich gibt es aber – nicht nur bei dieser Art – immer wieder Probleme bei Nachzuchten. In diesem Fall scheint ein genetischer Fehler der Eltern vorzuliegen. Es gibt aber auch viele gesunde praecox, deswegen wäre ein Neuanfang durchaus sinnvoll. Am besten besorgt man sich die Elterntiere natürlich bei Mitgliedern der Internationalen Gesellschaft für Regenbogenfische, IRG, irg-online.de. Ein wichtiger Hinweis sind übrigens auch einwandfreie Schuppen und Flossen, darauf bitte besonders beim Kauf achten. Praecox scheint aber besonders anfällig für solche Probleme zu sein.

    Welche Regenbogenfische (außer Melanotaenia praecox) könnte ich denn noch in sehr weichem Wasser halten?
    Gibt es davon auch welche, die ich in einem 54l-Becken halten könnte?

    HH: Im Prinzip können alle australischen Arten in weichem Wasser gehalten werden.
    Bis auf die Melanotaenia maccullochi aus dem Skull Creek (3 cm Endlänge) und praecox keine. Blauaugen kommen bei dieser Beckengröße besser infrage, wollen aber meist härteres Wasser, einige auch Salzzusatz (Pseudomugil cyanodorsalis).

    Ich habe ein 780l-Becken, in dem ich verschiedene Arten von Regenbogenfischen rumschwimmen habe: Melantonia boesemani, den Lachsroten, den blauen und den Zwergregenbogenfisch. Sie schwimmen immer in einer riesigen Gruppe miteinander. Bei den Lachsroten habe ich zwei Männchen dabei, welche zwischen 8 und 10 cm groß sind. Sie sind zum Teil sehr "zänkisch" und "piesacken" die kleineren Fische. Auch gibt es bei der Fütterung immer wieder ein Vorgedränge und Weggeschupse. Nun möchte ich aber nicht das Becken mit Futter überschütten.
    - Wie kann ich dieses Verhalten eindämmen? Was kann ich machen und woher rührt dieses Verhalten?
    - Kann es zu Kreuzungen zwischen den einzelnen Arten kommen?
    -Besteht die Chance, daß sich in einem solchen großen Becken die Eier zu Fischen entwickeln und diese dann auch eine Chance haben, groß zu werden? Oder werden sie alle gefressen? Müßte ich zur Aufzucht von Regenbogenfischen die Eier immer in ein anderes Becken überführen?

    HH: Das Verhalten ist Natur und lässt sich sicher nicht verdrängen. Tipp: gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten füttern.
    Ja, es kann zu Kreuzungen kommen.
    Die Chance auf Jungfische in diesem Becken ist sehr gering.
    Ja, ein separates Becken ist sinnvoll. Aber nie Eier aus einem Gesellschaftsbecken aufziehen, immer nur artenrein zur Zucht ansetzen. Regenbogenfische fangen schon sehr früh mit dem Ablaichen an. Deswegen kommen bei jungen, artenrein gehaltenen Regenbogenfischen auch immer mal wieder Jungfische auf. Bei älteren ist es dagegen sehr selten.

    Speziell zu Iriatherina werneri:
    - Welches Geschlechterverhältnis stresst die Weibchen weniger, Männchenüberschuss oder Weibchenüberschuss?
    - Wie päppele ich sehr dünne Werneri auf?
    - Darf ich ihnen täglich Artemia geben oder sind diese auf Dauer für die Werneri zu salzig?
    - Ich würde gerne versuchen, meine Werneri für den Eigenbedarf zu vermehren. Wie könnte ich die vermutlich sehr kleinen Larven füttern? Ich habe einen eigenen Garten, kein Gewächshaus, aber einen kleinen, fischlosen Gartenteich.
    Wie weit darf man denn bei der Aufzucht von Regenbogenfischen mit der Temperatur nach unten gehen?
    Ich habe gelesen, dass sie besser nicht zu warm aufgezogen werden sollten. Nun habe ich ein technik- und filterloses 12 l- Pflanzenablegerbecken, in dem sich nur ein paar Schnecken und diverse Kleinstlebewesen befinden. Vielleicht könnte ich dort Eier der Iriatherina werneri hineingeben?
    Die Temperatur in dem Becken beträgt ca. 20 Grad, nachts 19 Grad.
    Wäre das zu kühl für Regenbogenfische?

    HH:
    - Weibchenüberschuss, dann verteilen sich die Balzversuche besser.
    - Schwierig; wenn sie erst einmal dünn sind, dann ist es meist zu spät. Da liegen wohl Futterdefizite vor.
    - Natürlich! Wieso zu salzig? Die Artemia sind nicht salzig, wenn man sie z. B. durch ein Artemiasieb abgisst!
    - z. B. mit feinstem Tümpelfutter (Artemiasieb, was durchgeht, kann gefüttert werden), Infusorien, Artemia, Eipulver, Algenpulver. Mehrmals täglich füttern.
    Das Becken an sich ist geeignet, aber zu kühl. Werneri sollten 24 °C haben. Einige größere Regenbogenfische aus Australien oder höheren Bereichen Neuguineas sind mit den Temperaturen einverstanden, die anderen vertragen es auch mal eine Zeit, sollten aber bei 22-24 °C gepflegt werden.


    Fragen zu Lebendgebärenden:

    Was halten Sie von der Getrennthaltung der Geschlechter im AQ von Lebendgebärenden (außer zum Zuchtansatz), da dort keine echte Rückzugsmöglichkeit für die Weibchen vom bedrängt werden durch die Männchen besteht?

    HH:
    Grundsätzlich ist eine Getrennthaltung der Geschlechter, wenn man die Möglichkeiten hat, eine sehr empfehlenswerte Angelegenheit. Bei der gezielten Guppyzucht ist sie unvermeidbar. Auch bei Xiphos und Mollys ist sie sehr empfehlenswert. Aber auch bei Wildformen kann man so die kleinen Frühmännchen, die bei mehr Arten als bekannt auftreten, außen vor lassen, denn die sorgen für eine Verzwergung des Bestands. Aber nicht zu spät ansetzen, die Weibchen sollten begattet werden, bevor sie ausgewachsen sein (unter einem Jahr Alter, bei Guppys sechs Monate).

    Vor Jahrzehnten wurden Lebendgebärende Zahnkarpfen als Mückenbekämpfer in Seen und Flüssen in Südeuropa eingesetzt worden.
    Meine Fragen hierzu:
    1. Sind genetische Veränderungen aufgetreten?
    2. Wie hat sich das auf den heimischen Besatz ausgewirkt ?

    HH:
    1. Es handelt sich ja immer um Gambusia affinis und holbrooki. Es gibt einige Untersuchungen, etwa aus Ägypten, dass wohl genetische Veränderungen leichterer Art aufgetreten sind.
    2. Teilweise katastrophal. Einige Killifische sind bereits ausgestorben, andere gefährdet und auf hypersalinare Gewässer zurückgedrängt. Dafür wurde aber im Mittelmeerraum die Malaria ausgerottet.

    Ich habe es vor 30 Jahren mal erlebt, dass nach dem Tod meines Schwertträgermannes ein Weibchen plötzlich ein Schwert bekommen hat. Sie hatte davor schon Junge, also ganz klar kein Spätmännchen.
    Leider ist die Literatur diesbezüglich sehr widersprüchlich.
    a) In manchen Büchern steht, dass diese Männchen zeugungsfähig sein sollen, in anderen, das diese Frage noch nicht geklärt ist.
    b) In manchen Büchern steht, dass die Umwandlung nur in diese Richtung von Weibchen nach Männchen geht - in anderen wird auch die andere Richtung angedeutet.
    c) Meinem Lexikon nach, soll das auch bei anderen Lebendgebärenden möglich sein, ich habe es sonst aber immer nur bei Schwertträgern gelesen.
    Gibt es hierzu gesicherte Untersuchungen und falls ja, wo kann man die einsehen?

    HH:
    a) Bei Schwertträgerweibchen ist es wie bei den Menschen. Sie haben ein Zusammenspiel von Östrogenen und Testosteronen. Fallen nun bei älteren Weibchen die Östrogene weg (ohne uncharmant sein zu wollen, wenn dies unseren menschlichen Damen in höherem Alter passiert, wächst auch der Damenbart besser), kommt es zu einem Testosteronüberschuss und es entwickeln sich männliche äußere Merkmale wie Schwert und scheinbares Gonopodium. Diese „Männchen“ sind nicht zeugungsfähig. Aber: s.u.
    b) Schwertträger werden ohne Geschlechtschromosomen geboren, sind also bei der Geburt alles Weibchen. Deswegen geht es nur in die eine Richtung!
    c) Nein, von anderen Lebendgebärenden ist es nicht bekannt. Platys etwa haben Geschlechtschromosomen, da ist das Geschlecht bei der Geburt festgelegt.
    Gesicherte Untersuchungen: Ich habe eine Doktorarbeit aus den 30er-Jahren, in der ein solcher Fall scheinbar dokumentiert wird. Werner Schmettkamp hatte einen Schwertträgerstamm, bei dem es zur echten Geschlechtsumkehr gekommen sein soll. Er schwor Stein und Bein darauf und ist ja eine reputable Person. Leider kam es zu einem Beckenunfall, gerade als dieser Stamm an die Uni zur Untersuchung sollte. Wer also so etwas bei sich beobachtet (nicht nur in Einzelfällen, s.o.!), her damit!

    Fragen zu Panzerwelsen:
    Spricht etwas dagegen, verschiedene Corydoras-Arten in einem Becken zu halten (abgesehen von unterschiedlichen Wasseransprüchen)?
    Wäre es sinnvoll, Corydoras in einem Artenbecken zu halten bzw. mit welchen Arten könnten Sie am sinnvollsten gehalten werden.

    HH:
    Nein, wieso? Solange die Ansprüche gleich sind, kann man mehrere Arten halten.

    Wie sieht das "perfekte" Corydoras-Becken aus?

    HH:
    Sandboden, Filter, leichte Strömung – das war’s.

    Was ist bei der Haltung von Corydoras panda und Corydoras habrosus besonders zu beachten?

    HH:
    Corydoras habrosus schwimmt gerne frei, ein Becken mit einigen Pflanzen reicht, es muss kein Sand auf dem Boden sein, nicht nur am Boden füttern. C. panda ist einfach zu halten, nichts Besonderes.

    Ich halte in meinem Aquarium mit Red Fire-Garnelen auch eine Gruppe Corydoras pygmaeus. Ich habe schon einige Jungtiere groß bekommen, indem ich sie abgesaugt habe und separat aufgepäppelt habe.
    Im Becken selbst ist nicht ein einziger Jungfisch groß geworden.
    Wie sieht es aus, wenn ich die Panzerwelse im Artenbecken halten würde? Fressen sie ihren eigenen Nachwuchs auf wie die größeren Corydoras-Arten? Dieses Verhalten konnte ich nicht beobachten - aber das heißt ja nicht automatisch, dass sie es nicht tun.

    HH:
    Es gibt zahlreiche Berichte, dass in einem Artenbecken von C. pygmaeus ausreichend Jungtiere hochgekommen sind. Einige Teile sollten dichter bepflanzt sein. Ich empfehle feines Tümpelfutter oder Artemia, das hilft den Jungen.

    Frage zu Gartenteichpflanzen:
    Ich hatte in meinem Gartenteich (90 cm tief) eine Seerose, die immer wieder an die Oberfläche trieb. Ich vermute, sie bekam den Auftrieb durch das faulende Rhizom und die dadurch entstehenden Gase im Pflanztopf.
    Ich habe sie, als sie größer wurde in einen maurerkübelgroßen Korb gepflanzt und ihr mehrere "Wackersteine" oben drauf gebunden, doch sie blieb zum Ende des Sommers nie wirklich unten. Durch die geringe Wassertiefe stellte sie dann natürlich auch die Blüte ein.
    Es handelte sich dabei um einen Folienteich und ein fixieren am Boden war nicht möglich.
    Wie kann man diesen Auftrieb vermeiden?
    HH:
    Wenn das Rhizom fault, liegt womöglich Kronenfäule vor, dann wird das sowieso nichts mehr. Man kann versuchen, das Rhizom von den faulen Stellen zu beseitigen (kurz in Kaliumpermanganatlösung eintauchen, dann Schnittstellen mit Holzkohle einreiben). Wenn das nicht klappt – wegwerfen und neu kaufen. Ich empfehle hierzu auch das Buch Seerosen, das ich zusammen mit Dieter Bechthold geschrieben habe.

    Vielen Dank für die Mühe die sie sich für die Beantwortung unserer Fragen gemacht haben!
    Im Namen aller User des Aquarium-Stammtischs,
    Sascha Kleine